Antragsteller*in: | Martin Wandrey (KV Potsdam) |
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V1: Krankenhaus in deiner Nähe retten - Brandenburger Forderungen für die Krankenhausreform
Titel
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg setzt sich für eine flächendeckende, medzinische Versorgung im ganzen Land ein. Wir wollen bestehende Strukturen erhalten, weiterentwickeln und endlich die starren Sektorengrenzen zwischen ambulanten Praxen und Krankenhäusern überwinden. Mit großer Sorge sehen wir die von der Bundesregierung verabschiedete Krankenhausreform insbesondere mit Konsequenzen für ländliche Räume mit dem Krankenhaus-Versorgungs-Verbesserungsgesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Grundlage für die Reform müssen weiterhin die im Juli 2023 getroffenen Verabredungen zwichen Bund und Ländern sein.
Uns geht es um fünf zentrale Punkte, die es jetzt gilt in den folgenden Beratungen des Gesetzes im Bundestag zu verändern. Wir stehen dabei fest an der Seite unserer Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher und ihrer 15 Kolleg*innen aller Bundesländer.
- Länderhoheit
Die Länder wissen am Besten was es in den Regionen für gute Gesundheit braucht. Deswegen ist Krankenhausplanung Ländersache, das muss es auch weiter bleiben. Brandenburg als ostdeutsches Flächenland hat eine völlig andere Klinik- und Bevölkerungsstruktur als Nordrhein-Westfalen oder Berlin. Mit rigiden und überzogenen Qualitäts- und Strukturvorgaben, angelehnt an Großstadt- und Universitätskliniken drohen viele dringend notwendige Standorte, insbesondere im berlin-fernen Raum, von der Landkarte zu verschwinden. Das zentrale Eckpunktepapier zwischen Bund und Ländern vom Juli 2023 sieht eine abschließende “Gesamteinigung zwischen Bund und Ländern über die Grundstruktur einer Krankenhausreform” vor. Aktuell stehen 16 Bundesländer geschlossen gegen den Bund. Das Gesetz muss dringend zustimmungspflichtig gestaltet werden, um gemeinsam eine gute Lösung für das gesamte Land zu finden. Krankenhäuser sind aus gutem Grund Ländersache!
- Finanzierung
Wir begrüßen den Wechsel der Finanzierung unserer Krankenhäuser von einer fallbasierten Bezahlung, die die falschen Anreize setzt und den ökonomischen Druck in den Häusern hat steigen lassen, zum System der sogenannten Vorhaltevergütung. Aber es fehlen weiterhin die von Minister Lauterbach den Ländern mehrfach versprochenen Auswirkungsanalysen der Reform für die Finanzen der Häuser. Der geplante Transformationsfonds zum Umbau der Krankenhäuser wird zur Hälfte von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen, Privatversicherte und Beamte bleiben unbelastet. Außerdem erfolgt die Verteilung nach Königssteiner Schlüssel, sodass die finanzschwächeren und bevölkerungsärmeren ostdeutschen Bundesländer am Ende am wenigstens bekommen. Der Bund will bestehende Strukturen umbauen, also muss er im Sinne der Subsidiarität auch die Lasten direkt tragen. Bis die Reform greift, muss der Bund die Vergütung an die Inflation anpassen und den sogenannten Basisfallwert deutlich erhöhen.
- Behandlungsqualität
Entgegen der Vereinbarung vom Juli 2023 kommt zusätzlich ein System der Mindestmengen dazu. Auch im aktuellen System gibt es bereits Mindestmengen. Die überzogenen Anforderungen im Bereich der Frühchenversorgung bedrohen seit Jahren alle vier gut funtionierenden Standorte in Brandenburg, die momentan nur mit Ausnahmegenehmigungen der Krankenkassen für ihre wichtige Arbeit bezahlt werden. Was aktuell nur eine Nische der Versorgung betrifft, wird zukünftig ohne Steuerungsmöglichkeit des Landes ein breites Angebot der Versorgung gefährden. Außerdem können auch Mindestmengen falsche Anreize schaffen, unnötige Behandlungen durchzuführen, um die notwendige Schwelle zu erreichen.
- Ambulant-Stationäre Zusammenarbeit
Die starren Grenzen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Praxen gibt es in Brandenburg erst seit 1990. Seit einigen Jahren versuchen zahlreiche Projekte im Land, wie das ambulant-stationäre Zentrum Templin, diese zu überwinden. Das ist vor allem in Zeiten unbesetzter Praxissitze der kassenärztlichen Vereinigung im berlin-fernen Raum elementar, um die Gesundheitsversorgung in der Fläche zu sichern. Der aktuelle Gesetzentwurf liefert nur unkonkrete Ideen, ohne den Ländern klare Instrumente wie die Übertragung von Kassensitzen an Gesundheitszentren zu ermöglichen. Zukünftig muss es in eine sektorenübergreifende Planung der Gesundheitsversorgung durch die Länder geben.
- Kooperationsmöglichkeiten
Nicht jedes Krankenhaus kann alles, daher ist Kooperation auch jetzt schon gelebte Realität. Herzoperationen gibt es nur in Bernau und Cottbus, besonders Schwerverletzte werden in drei überregionalen Traumazentren behandelt. In Eberswalde kommt die Neurologin aus dem benachbarten Krankenhaus. Diese gelebte Zusammenarbeit braucht laut Gesetzentwurf in Zukunft umständliche, nur befristet erteilte Genehmigungen. Wenn diese nicht erteilt werden können, steht das ganze Krankenhaus in Frage, weil es dann z. B. keine Notaufnahme oder Intensivstation mehr betreiben darf. Die Länder brauchen eine unkomplizierte Handhabe um Kooperationen zum Regelfall zu machen und Telemedizin zu ermöglichen.
Begründung
Die Landesarbeitsgemeinschaft Soziales, Gesundheit und Arbeit hat sich intensiv mit der Krankenhausreform auf Bundesebene befasst und dabei in den vergangenen Monaten diesen Antrag erarbeitet. Ziel war es, ursprünglich diesen im Juli im Landesparteirat zu beschließen. Leider wurde er dabei formell zu spät eingebracht und wegen mangelnder Dringlichkeit vertagt. Da der Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft auf Einbringung in den Landesparteirat und nicht Landesdelegiertenrat lautete, wird er beim Landesdelegiertenrat am 7.9. von Einzelpersonen eingebracht.
Wozu braucht es diesen recht technischen Antrag:
Zentrale Punkte, wie wir uns Gesundheit in Brandenburg in den nächsten Jahren vorstellen, haben wir in unser Wahlprogramm für die Landtagswahl geschrieben. Vieles davon haben wir in den letzten Jahren unter Bündnisgrüner Regierungsbeteiligung auch anschieben können. Zum Beispiel die deutlich erhöhte Unterstützung für Krankenhäuser, den Pakt für Pflege und die Stärkung von Hebammen.
Wir haben noch viel vor: Wir wollen die starren Grenzen zwischen Praxen und Krankenhäusern einreißen. Wir wollen unsere Krankenhäuser in sicheres wirtschaftliches Fahrwasser bringen, sodass keines mehr privatisiert wird, weil der Kreis die Schulden nicht mehr bezahlen kann. Wir wollen, dass Krankenhäuser weiter wichtige Lernorte für Azubis in der Pflege und junge Ärzt*innen sind, um den Fachkräftemangel direkt vor Ort zu bekämpfen.
So zentral die richtigen Entscheidungen in Brandenburg nach der Wahl sind: Aktuell steht mit der Krankenhausreform im Bund ein Reformprojekt an das unsere Erfolge für Krankenhäuser im Land zunichte zu machen droht. Nach fast fünf Jahren grün-geführtem Gesundheits- und Sozialministerium stehen wir im Land glaubwürdig für gute Gesundheitspolitik im Land. Zu Recht steht auf unseren Plakaten "Ja zum Krankenhaus in deiner Nähe".
Als Bündnisgrüne tragen wir auch Verantwortung im Bund. Daher wollen wir ein klares Zeichen setzen, was wir in Brandenburg von der Krankenhausreform erwarten. Wir freuen uns über die große Bereitschaft den Landtagswahlkampf im Osten zu unterstützen. Unterstützung heißt aber mehr als Plakate hängen, Flyer verteilen und an Haustüren klingeln. Es bedeutet auch in der Bundespolitik Rücksicht auf Ostdeutsche Besonderheiten zu nehmen, wie die viel geringere Bevölkerungsdichte. Oder, dass es hier im Gesundheitswesen nach der Wende bereits einen riesigen Strukturwandel gegeben hat.
Die LAG hat wichtige Punkte zusammengetragen, vieles davon stammt aus der gemeinsamen Stellungnahme der Bundesländer an Bundesminister Lauterbach zum mittlerweile von der Bundesregierung beschlossenen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes. In den im Herbst folgenden Beratungen im Bundestag geht es jetzt darum das Gesetz an entscheidenden Stellen nachzubessern. Dabei geht es vor allem um fünf Kernpunkte: Länderhoheit, Finanzierung, Behandlungsqualität, ambulant-stationäre Zusammenarbeit und Kooperationsmöglichkeiten.
Wenn es hier nicht gelingt deutliche Verbesserungen zu erzielen drohen viele kleinere Krankenhäuser, insbesondere in ländlichen Räumen, von der Landkarte zu verschwinden. Wir haben in diesem Jahr harte Auseinandersetzungen um einzelne Standorte wie in Elbe-Elster oder Neuruppin erlebt. Ein flächendeckender Einschnitt, der aus der Reform zu folgen droht, ist gefährlich - für unsere Gesundheit, aber auch unsere Demokratie.
Es braucht jetzt entscheidende Veränderungen an der Reform im Bund, dass wir unser Versprechen aus dem Wahlprogramm "Wir wollen – egal ob in der Stadt oder auf dem Land – eine gute Krankenhaus-Grundversorgung erhalten" auch wirklich ab Herbst mit starker Bündnisgrüner Regierungsbeteiligung in die Tat umsetzen können.
Deswegen soll es mit dem Antrag eine klare bündnisgrüne Positionierung aus Brandenburg zu dieser zentralen Reform im Gesundheitsbereich geben. Es gilt deutlich zu machen: Bündnis90/Die Grünen in Brandenburg sagt "Ja zum Krankenhaus in deiner Nähe"!
Unterstützer*innen
- Anna Sophie Emmendörffer (KV Potsdam-Mittelmark)
- Robert Schindler (KV Uckermark)
- Michael François Norber Holger Keller (KV Teltow-Fläming)
- Thomas Kanitz (KV Potsdam)
- Barbara Brecht-Hadraschek (KV Barnim)
- Dorothea Martin (KV Barnim)
- Steffi Bernsee (KV Barnim)
- Torsten Wiebke (KV Barnim)
- Patrick Telligmann (KV Uckermark)