Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen die Justizministerien noch das Recht haben, im einzelnen Fall die Staatsanwaltschaften anzuweisen, bestimmte Maßnahmen vorzunehmen oder zu unterlassen (z.B. Verfahrenseinleitung, Verfahrenseinstellung, Vornahme von Durchsuchungen, Anklageerhebung, Beantragung von Haftbefehlen). Zu Recht wird dieser Zustand regelmäßig sowohl von den Vereinigungen der Richter*innen und Staatsanwält*innen als auch von der Europäischen Kommission und anderen europäischen Gremien kritisiert: Er ist völlig unzeitgemäß und öffnet dem politischen Missbrauch Tür und Tor.
Zwar wird von den Verteidiger*innen dieses Zustands oft behauptet, Einzelfallweisungen würden in der Praxis keine Rolle spielen. Dies ist jedoch nicht überzeugend. Erstens kann dieses Weisungsrecht, wenn es keine Rolle spielt, ja umso mehr endlich auch formal abgeschafft werden. Zweitens stimmt die These von der Irrelevanz im Alltag auch nicht. Denn für ministerielle Weisungen gelten nach aktuellem Recht keine Form- und Begründungspflichten. Sie können z.B. auch telefonisch, im persönlichen Gespräch, oder als "Bitte" eingekleidet erteilt werden. Damit sind sie nirgendwo dokumentiert und in ihrer Häufigkeit nicht nachprüfbar. Die Staatsanwaltschaft, die einzelne Staatsanwältin oder der einzelne Staatsanwalt, der oder die gewiesen wird, hat oft nichts eindeutiges Schriftliches in der Hand, um sich damit auseinanderzusetzen oder sich dagegen zu wehren.
Im Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Parteien steht, nicht zuletzt auf Initiative der Grünen, die Abschaffung oder wenigstens Überarbeitung und Einschränkung dieses ministeriellen Einzelfallweisungrechts als Ziel. Es scheint jedoch, dass aufgrund von Widerstand aus den Landesregierungen das FDP-geführte Bundesjustizministerium in dieser Legislaturperiode entgegen diesem Koalitionsvertrag wieder keinen konkreten Gesetzentwurf in diese Richtung vorlegen wird.
Das Land Brandenburg sollte daher vorangehen. Zwar kann das Land das Weisungsrecht nicht abschaffen - dies geht nur bundesrechtlich. Das Justizministerium kann sich aber politisch öffentlich selbst verpflichten, Einzelfallweisungen nur noch mit ausdrücklicher schriftlicher Begründung (also nicht mündlich, nicht telefonisch, und nicht schriftlich ohne Begründung) zu erteilen, und auch nur, um rechtswidrige staatsanwaltschaftliche Maßnahmen aufzuheben oder zu verhindern (also nicht mehr bei bloß abweichender Beurteilung dessen, was am ehesten angemessen ist).
Antrag Wahlprogramm: | Jetzt Demokratie verteidigen: Selbstbestimmung und Gerechtigkeit |
---|---|
Antragsteller*in: | Alexander Roth |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 01.01.2024, 21:42 |