Status: | Beschluss (vorläufig) |
---|---|
Beschluss durch: | 50. Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 21.01.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Jetzt Demokratie verteidigen: Selbstbestimmung und Gerechtigkeit
Beschlusstext
Kapitel 13: Demokratie und Antifaschismus
Demokratie ist das Versprechen von Freiheit und Mitsprache für jede*n von uns. Doch wir dürfen uns nicht auf den Errungenschaften unserer Demokratie ausruhen – besonders, wenn sie von rechts unter Beschuss steht. Stattdessen geben wir Antworten auf die Probleme unserer Zeit und stellen uns jeden Tag aufs Neue gegen Menschenfeindlichkeit. Gemeinsam mit vielen anderen verteidigen wir jeden Tag unsere Demokratie.
Wir wollen den Menschen in Brandenburg mehr Möglichkeiten geben, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Dazu gehört, Kinder und Jugendliche so früh wie möglich einzubinden, sie mitentscheiden zu lassen und Demokratie so für sie erlebbar zu machen. Außerdem setzen wir uns weiter für mehr direkte Demokratie und mehr Partizipation in den Angelegenheiten der Städte und Gemeinden ein.
Kein Platz für Rechtsextremismus
Eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit ist es, den Rechtsextremismus in Brandenburg als Gesellschaft und Politik gemeinsam zu bekämpfen. Das Aktionsbündnis Brandenburg, Beratungsstellen wie die demos-Gemeinwesenberatung, die Regionalen Arbeitsstellen „Bildung, Integration und Demokratie”, die „Opferperspektive”, viele engagierte Vereine, Initiativen und Jugendverbände wie die Brandenburgische Sportjugend und viele andere leisten schon heute wichtige Arbeit gegen Rechtsextremismus. Um sie weiter zu fördern, wollen wir die Gelder für das Programm „Tolerantes Brandenburg“ erhöhen und es besser mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zusammendenken. Um die Finanzierung von Demokratieprojekten langfristig auf solide Beine zu stellen, wollen wir mit einem Demokratiefördergesetz für Brandenburg eine verlässliche gesetzliche Grundlage schaffen. So stellen wir sicher, dass gut funktionierende Strukturen nicht jährlich um Zuschüsse zittern müssen und Gefahr laufen, qualifiziertes
Personal und mühsam aufgebautes Vertrauen zu verlieren.
Gerichtsverfahren zu rechter Gewalt dauern noch immer zu lang. Das belastet die Betroffenen, während die Täter*innen lange ohne Strafe weitermachen können. Für rechte Gewalt darf es null Toleranz geben und davon Betroffene müssen geschützt werden. Darum wollen wir in Zukunft dokumentieren und auswerten, wie lange Verfahren zu Hasskriminalität in den vier Brandenburger Gerichtsbezirken dauern und wie sie ausgehen. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft wollen wir erweitern. Auch sollen sich die Opfer von rechter Gewalt an die Stelle „Opferschutzbeauftrage*r des Landes”, die wir einrichten wollen, wenden können.
Aber auch politische Bildung ist ein Puzzlestück zur Demokratieförderung und Prägung der Gemeinschaft. Das Programm „Land.schafft.Demokratie“ der Bundeszentrale für Politische Bildung (BpB) macht Bibliotheken zu Orten des Austauschs und Dialogs. In allen ostdeutschen Bundesländern gibt es inzwischen Pilotbibliotheken - nur in Brandenburg nicht. Das wollen wir ändern und die Zusammenarbeit mit der BpB ingesamt ausbauen.
Wir helfen Kommunen, Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu entwickeln und so z.B. auch die Vorschlagslisten zu Wahlen für ehrenamtliche Schöff*innenämter entsprechend zu prüfen.
Gerechte Justiz
Viel zu häufig dauern Verfahren an unseren Gerichten zu lange und werden große, komplizierte Verfahren durch Deals mit Strafrabatten beendet. Das ist ungerecht und gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat wie auch unseren Wirtschaftsstandort. Um hier entgegen zu wirken und den Verfahrensstau abzubauen, haben wir in der Regierung erreicht, dass viel zusätzliches Personal eingestellt wurde - mit Erfolg. Diesen Kurs wollen wir fortsetzen.
Wir haben in den letzten Jahren zudem erfolgreich die Unabhängigkeit der Justiz verteidigt: Während anderswo Richter*innen und Staatsanwält*innen allein durch die Justizminister*innen ernannt und befördert werden, hat in Brandenburg ein demokratisch gewählter Richterwahlausschuss das Sagen. Dessen Rechte wollen wir weiter stärken, ebenso die Mitbestimmung der Justiz an den Gerichten selbst. Dabei soll Justiz auch in Zukunft allen Menschen als Arbeitsort zur Verfügung stehen. Ein Kopftuchverbot in der Justiz lehnen wir daher ab.
Politische Eingriffe in die Strafrechtspflege lehnen wir ab. Bis zu einer Abschaffung oder Eingrenzung der ministeriellen Einzelfallweisungen wollen wir daher in Brandenburg vorangehen: Durch eine Selbstverpflichtung des Justizministeriums sollen Einzelfallweisungen an die Staatsanwaltschaft nur noch zur Abwendung rechtswidriger Maßnahmen und nur noch mit schriftlicher Begründung ergehen.
Wir wollen alle Gerichtsstandorte im Land erhalten und das Modell der Gerichtstage vor Ort weiter ausbauen. Im Strafvollzug setzen wir weiter auf Resozialisierung und eine Politik der umfassenden Vorbeugung von Gewalt, insbesondere bei Jugendlichen. Im Jugendvollzug steht für uns der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Verschärfungen des Justizvollzugs lehnen wir ab. So genannte Ersatzfreiheitsstrafen wollen wir weiter zurückdrängen und hierfür alle Möglichkeiten des Landes nutzen.
Die knappen Ressourcen der Strafjustiz wollen wir zielgerichtet einsetzen. Die Bekämpfung von Kriminalitätsbereichen, welche die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens bedrohen, muss Priorität haben. Dies betrifft insbesondere Hasskriminalität, schwere Wirtschaftskriminalität, organisierte Umweltkriminalität, Geldwäsche und Korruption. Demgegenüber sollten bei Bagatellkriminalität die gesetzlichen Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung konsequenter ausgeschöpft werden. Wir wollen daher auf einen Dialog zwischen Justizministerium und Generalstaatsanwaltschaft mit dem Ziel des Setzens gezielter Arbeitsschwerpunkte im Sinne einer kriminalpolitischen Strategie für Brandenburg hinwirken. Dabei treten wir dafür ein, die bestehenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften - auch personell - zu stärken.
Insbesondere diejenigen, die sich in und für unsere Gesellschaft engagieren, wie zum Beispiel Kommunalpolitiker*innen, werden in den letzten Jahren immer stärker angefeindet. Sie erleiden Beleidigungen oder Drohungen verbal oder in den sozialen Medien oder werden sogar körperlich angegangen. Damit diese Opfer von Hass und Hetze eine direkten Anlaufpunkt haben, wollen wir eine Zentrale Ansprechstelle für Opfer von Rechtsextremismus und Antisemitismus nach dem Vorbild von Sachsen einrichten. Damit soll es direkte und feste Ansprechpersonen bei der Generalstaatsanwaltschaft geben. Wenn Menschen wegen ihrer politischen Aktivität oder ihres Engagements für unser Gemeinwohl zu Opfern von Straftaten werden, müssen sie sich darauf verlassen können, dass der Rechtsstaat für eine konsequente Aufklärung und Strafverfolgung sorgt und sie nicht alleine lässt.
Um den Schutz der Opfer von Gewalttaten nachhaltig zu stärken, wollen wir die Stelle „Opferschutzbeauftrage*r des Landes” einrichten, wie es sie in allen anderen Bundesländern bereits gibt.
Direkte Demokratie und Partizipation ausbauen
Unsere Demokratie steht aktuell vor Herausforserungen wie selten zuvor. Verfassungsfeinde versuchen gezielt, demokratische Institutionen verächtlich zu machen, gleichzeitig bringen multiple Krisen viele Menschen zum Zweifeln an der Politik als Ganzem. Demokratieskepsis kann nur entgegen gewirkt werden, wenn Menschen konkret vor Ort erleben, dass sie sich einmischen können, und demokratische Aushandlungsprozesse erfahren. Darum wollen wir den Menschen in Brandenburg die Möglichkeit geben, sich mehr und direkter an der Landes- und Kommunalpolitik zu beteiligen. Wir wollen die Hürden für Volksbegehren abbauen, indem wir endlich digitale Unterschriften sowie eine freie Sammlung ermöglichen. Um die Beteiligung zu erhöhen, wollen wir die Termine von Volksentscheiden und Wahlen möglichst zusammenlegen. Außerdem wollen wir Themenausschlusskataloge entschlacken, wie es in anderen Ländern schon lange der Fall ist – insbesondere sollen auch Bürgerbegehren zu Bebauungs- und Flächennutzungsplänen
möglich sein.
Gleichzeitig wollen wir dilogische Verfahren auf allen Ebenen stärken - und machen damit z.B. möglich, dass sich Bürger*innen bei der Entstehung unserer Gesetze mit Ideen und Kritik einbringen können. Wir haben in der Regierung die Entwicklung eines Beteiligungsportals angestoßen, das über kommende Landesstrategien und Gesetze informiert und eine öffentliche Diskussion ermöglicht. Dieses muss nun zügig starten und auf alle relevanten Gesetzesinitiativen der Landesregierung angewendet werden. Zusätzlich wollen wir für wichtige Vorhaben eine aufsuchende Beteiligung betroffener Bevölkerungsgruppen und Beteiligungsformate wie Bürger*innenräte etablieren, zu denen Menschen per Losverfahren eingeladen werden. Auch auf kommunaler Ebene wollen wir partizipative Verfahren stärken. Dabei orientieren wir uns am Vorbild Baden-Württembergs, wo feste gesetzliche Regelungen für Bürger*innenbeteiligung auf allen Ebenen etabliert wurden.
Kommunalen Planungs- oder Entwicklungsvorhaben soll eine partizipative Bedarfsplanung (Phase 0) vorgeschaltet werden, an der Betroffene mitwirken können.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit von Änderungen in Gesetzen und Verordnungen, sollen alle Änderungen in Form von Synopsen veröffentlicht werden. So sind Änderungen für alle Beteiligten schnell und transparent nachvollziehbar.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Kommunales gibt es im Kapitel „Verwaltung, Finanzen und Kommunales”
Ehrenamtliche Kommunalpolitiker*innen unterstützen
Am besten erlebbar ist Demokratie vor Ort in den Städten, Gemeinden und Landkreisen durch ehrenamtliches kommunalpolitisches Engagement. Die hier kommunalpolitisch aktiven Menschen verdienen mehr Wertschätzung und Unterstützung. Darum wollen wir eine landesweite Kampagne für das politische Ehrenamt starten. Wir wollen in der Kommunalverfassung die Vereinbarkeit von Familie und Mandat stärken, auch durch erweiterte Freistellungsmöglichkeiten von der Arbeit und verbesserte Regeln zur Übernahme mandatsbedingter Betreuungskosten. Zur Qualifikation und Beratung der Ehrenamtler*innen wollen wir die Finanzierung der kommunalpolitischen Vereinigungen ausbauen.
Die Stimmung in der Kommunalpolitik wird vielerorts immer angespannter, der Tonfall rauer. Immer mehr kommunalpolitisch Aktive sind Anfeindungen, Drohungen oder gar Angriffen ausgesetzt. Das Land muss Kommunalpolitiker*innen besser schützen, daher braucht es einen verbesserten Rechtsschutz und einen Ausbau der zentralen Anlaufstelle, an die sie sich im Falle von Bedrohungen oder Anfeindungen wenden können. Es braucht aber auch eine konsequente Verfolgung strafbarer Handlungen und die parteiübergreifende Solidarität. Den Aufbau entsprechender Demokratie-Netzwerke, insbesondere für (besonders betroffene) Frauen wollen wir unterstützen.
Kitas und Schulen werden Demokratiewerkstätten
Demokratiebildung befähigt Kinder und Jugendliche, sich aktiv für die Entwicklung unserer Demokratie einzusetzen und schützt vor rechtsextremer Ideologie. Neben demokratischem Grundwissen vermittelt sie interkulturelle Kompetenz, eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Bewusstsein für Diskriminierungsformen sowie für die Bedeutung von Vielfalt, Akzeptanz und Toleranz.
Wir wollen Demokratie direkt erfahrbar machen. Dazu wollen wir die Beteiligungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen in den Schulen nach dem Vorbild der Demokratischen Schulen umfassend stärken und ausbauen. Erste Schritte dazu sind regelmäßige selbstorganisierte Klassenräte.
Bei den Kleinsten unserer Gesellschaft beginnt Demokratiebildung. Am besten schon im familiären Umfeld, jedoch spätestens in der Kita. Schon hier müssen Kinder erleben, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden und dass sie mitentscheiden können, z.B. beim Essen, Schlafen oder der Auswahl von Spielorten. Bereits in der Kita sollten Inhalte zur Demokratiebildung und Beteiligungsformate wie Kita-Räte, Kinderkonferenzen oder Beschwerdeverfahren verankert werden. Auch auf der Leitungsebene, in der Zusammenarbeit mit dem Team, dem Träger und den Eltern müssen demokratische Prinzipien gelebt werden. Im Bereich frühkindliche Bildung wollen wir Hilfsangebote für Familien weiter ausbauen, etwa durch die Unterstützung von Netzwerken und Angeboten. Im Bildungsplan werden wir deshalb die Demokratiebildung als wichtigen Baustein verankern.
Wir stärken Schüler*innenräte und fördern die Mitwirkung auf Kreis- und Landesebene. Wir wollen Klassen, Schulen und den weiteren Mitwirkungsgremien eigene Finanzbudgets zur Verfügung stellen.
Wir wollen unseren Schulen mehr Freiheit dabei geben, ihr Profil zu definieren, Personal zu verwalten und Finanzmittel einzusetzen. Die Hierarchie zwischen Lehrenden und Lernenden wollen wir auflockern und Schüler*innen mehr Raum für eigene Ideen und Projekte geben. Diese Kreativität wollen wir auch nutzen um die Modernisierung, den Um- und Anbau sowie den Neubau mit partizipativen Formaten besser zu machen.
Wir unterstützen das Projekt STADTENTDECKER, das als baukulturelles Bildungsprojekt in Brandenburg und darüber hinaus grosse Beachtung findet. Demokratiebildung und Partizipation findet hier in einem konstruktiven und produktiven Dialog zwischen Schüler*innen, Leher*innen, Kommune und Architekt*innen statt. Wir wollen perspektivisch dieses Projekt auf alle Schulen Brandenburgs ausdehnen.
Das Schulgesetz wollen wir erneuern und die Mitwirkung von Schüler*innen, Eltern und Lehrenden erleichtern. Pädagog*innen spielen eine entscheidende Rolle in der Demokratieförderung von Kindern und Jugendlichen. Durch die Förderung von kritischem Denken und die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten, ermöglichen sie Schüler*innen, informierte Entscheidungen zu treffen und sich aktiv an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Dies sollte noch stärker zum integralen Bestandteil in Fort- und Weiterbildungen werden.
Auch sollen die Themen Kinderrechte, Beteiligung und Demokratiekompetenz stärker in der pädagogischen Ausbildung und Fortbildungen vermittelt werden. Damit Eltern ihre Mitwirkungsmöglichkeiten im Bildungssystem besser verstehen und nutzen, soll es mehr Fortbildungsangebote geben. Bei Gewalttaten oder rechtsextremistischen Vorfällen wollen wir Schulträger*innen und Schulämter zum Handeln verpflichten.
Wir wollen Schulen aktiv bei der Prävention und Bekämpfung von rechtsextremen Vorfällen unterstützen und entsprechende Beratungs- und Hilfestrukturen schaffen. Die Meldung von Vorfällen muss ohne Angst vor schulrechtlichen Konsequenzen möglich sein. Die Arbeit der RAA (Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie) wollen wir verstärken und für jeden Landkreise und jede kreisfreie Stadt mindestens zwei Koordinator*innenstellen finanzieren. Das Programm "Schulen ohne Rassismus" und das Bundesprogramm Respect Coaches wollen wir absichern.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Bildung gibt es in den Kapiteln „Kita und Schule”, „Studium, Wissenschaft und Hochschule” und „Ausbildung, Gute Arbeit und Fachkräfte”
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Aufarbeitung gibt es im Kapitel „Kultur und Medien”
Kapitel 14: Freiheit und Sicherheit
In Brandenburg können die meisten Bürger*innen gut und sicher leben. Das bestätigt auch die polizeiliche Kriminalstatistik: Zwar stieg die Zahl der Straftaten im letzten Jahr an, sie bleibt aber weiterhin niedriger als vor der Coronapandemie. Das gleiche gilt für schwere Straftaten wie Körperverletzungen. Wir wollen, dass alle Brandenburger*innen in Zukunft sicher leben können. Darum müssen wir unsere Sicherheitsbehörden jetzt auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten: Mit genug Personal, guter Ausstattung, fairen Arbeitsbedingungen und Digitalkompetenzen. Immer im Blick behalten wir dabei die Freiheitsrechte aller Bürger*innen. Darum stehen wir klar für Transparenz der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden und gegen Befugnisse, die unverhältnismäßig in das Leben vieler Unschuldiger eingreifen.
Die Polizei ist im täglichen Dienst regelmäßig gesellschaftlichen Problemlagen konfrontiert, beispielsweise Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, Obdachlosigkeit, oder häusliche Gewalt, für die wir insbesondere auch die nichtpolizeilichen Hilfsstrukturen stärken wollen. Eine gute Zusammenarbeit und Verschränkung der verschiedenen Strukturen entlastet Polizist*innen und stellt sicher, dass Menschen in Notsituationen bestmöglich geholfen wird. Einen besonderen Fokus wollen wir auch darauf legen, durch gute Fortbildung die Möglichkeiten zur Deeskalation insbesondere im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu stärken.
Wir stehen ein für eine gute Ausstattung der Polizist*innen für ihre Aufgaben, stellen uns aber einer unangemessenen Militarisierung klar entgegen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Demokratie gibt es im Kapitel „Demokratie und Antifaschismus”
Unsere Polizei modernisieren
Wir wollen, dass die Brandenburger Polizei gut ausgebildet und ausgestattet ist. Damit die Polizei ihre Arbeit für das Land in hoher Qualität leisten kann, sind gute Arbeitsbedingungen und moderne Dienststellen unerlässlich. Durch eine regelmäßige und im Innenministerium gebündelte statistische Erhebung und Evaluierung des Überstundenpensums, wollen wir Überstunden und Belastungen für die Beamt*innen reduzieren und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Um mehr Nachwuchs für den Beruf zu gewinnen, setzen wir uns für bessere Aufstiegschancen und eine faire Bezahlung ein und wollen den Polizeidienst noch stärker für Frauen und unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen attraktiv machen. So wird es uns gelingen, das Ziel von 8.500 gut geschulten Polizeibeamt*innen im gesamten Land Brandenburg zu erreichen, die wir unter anderem für Präventionsarbeit und die Verfolgung von Hasskriminalität und Gewaltdelikte brauchen.
Damit die Brandenburger Polizei den Herausforderungen der digitalisierten Welt entgegentreten kann, braucht es massive Investitionen in Digitalkompetenz und eine solide IT-Infrastruktur für den täglichen Dienst. Damit schaffen wir die Grundlage für eine schlagkräftige Bekämpfung z.B. zunehmender Hassdelikte, Internet- und Wirtschaftskriminalität. Wir wollen digitale Straftaten, von der Betrugsmasche bis zum Cyberangriff, schnell und kompetent bekämpfen. In Aus- und Weiterbildungen wollen wir darum einen besonderen Fokus auf diese Bereiche legen und mehr IT-Expert*innen mit guten Jobangeboten in den Polizeidienst holen. Die Nutzung von sicheren mobilen Endgeräten im alltäglichen Polizeidienst muss endlich selbstverständlich werden. Teure Scheinlösungen privater Anbieter, die vorgeben, mittels künstlicher Intelligenz den Aufbau einer soliden und gesetzeskonformen Datenhaltung überspringen zu können, lehnen wir hingegen ab.
Erfolgreiche Polizeiarbeit darf nicht dadurch im Sande verlaufen, dass bei der Kriminaltechnik Personal und Technik fehlen und infolgedessen Akten monate- und jahrelang liegenbleiben. Wir wollen daher durch Investitionen in diesen Bereich erreichen, dass die Untersuchung von DNA-Tatortspuren und die chemische Analyse von Stoffen (z.B. vermeintliche Drogen auf deren Wirkstoffgehalt) verlässlich innerhalb eines Monats (in Haftsachen innerhalb einer Woche) erfolgt. Gerichtlich beschlagnahmte Computer und Mobiltelefone müssen innerhalb von vier Monaten (in Haftsachen innerhalb von einem Monat) zuverlässig ausgewertet werden können.
Bürger*innenrechte schützen
Grundrechtsschutz und Sicherheit sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Befugnisse für die Polizei müssen deshalb immer verhältnismäßig, gut begründet und wirksam sein. Nachdem in der Vergangenheit Befugnisse immer wieder ausgeweitet wurden, setzen wir uns für eine Überprüfung von bestehenden Regeln ein. Solche, die sich in der Vergangenheit als nicht wirksam erwiesen haben oder Grundrechte unverhältnismäßig einschränken, wollen wir wieder streichen. Nur unter dieser Voraussetzung wollen wir einem neuen Polizeigesetz zustimmen. Gesetzliche Regelungen, die auf aktuelle Sicherheitsprobleme reagieren, wollen wir grundsätzlich zeitlich befristen, damit ein Praxistest erfolgen kann bevor sie in permanentes Recht überführt werden.
Zu den Verschärfungen der vergangenen Reform des Polizeigesetzes, die wir auf den Prüfstand stellen wollen, gehören insbesondere die weit ins Vorfeld tatsächlicher Straftaten reichenden Möglichkeiten für Meldeauflagen und Präventivhaft sowie Einsatzmittel mit zweifelhaftem Nutzen und erheblichem Schadenspotential, wie z.B. der Ermöglichung des Einsatzes von Explosivmitteln gegen Menschen. Auch Verdachts- und ereignisunabhängige Polizeikontrollen (Schleierfahndung) wollen wir grundsätzlich abbauen und auf ein Minimum reduzieren.
Wir konnten in der Landesregierung eine Polizeibeauftragte durchsetzen, die als unabhängige Ansprechperson für Polizei, Bürger*innen und die Politik bereitsteht. Zukünftig wollen wir jährlich überprüfen, ob die Beauftragte ihre Aufgaben ausreichend erfüllen kann und sich Polizeibeamt*innen ohne Bedenken an die Stelle wenden können. Wir unterstützen die Polizei in der lückenlosen Aufklärung von rechtsextremen, diskriminierenden und grenzüberschreitenden Vorfällen in den eigenen Reihen.
Eine weiträumige Überwachung von Straßen und Plätzen ist mit unseren Freiheitsrechten nicht vereinbar. Videoüberwachung kann lediglich an zentralen Orten mit höherem Gefahrenpotenzial ein Sicherheitsgefühl vermitteln und vereinzelt helfen, Straftaten aufzuklären. Dabei lehnen wir eine automatische Gesichts- und Verhaltenserkennung ab. Auch stellen wir uns nach wie vor gegen andere Mittel der Massenüberwachung wie die Vorratsdatenspeicherung oder das anlasslose Speichern von Kennzeichen auf Autobahnen mit dem KESY-System.
Mit sogenannten Staatstrojanern können Behörden die Geräte von Tatverdächtigen überwachen, und damit z.B. auch auf verschlüsselte Kommunikation zugreifen. Um Zugriff auf diese Geräte zu bekommen, müssen allerdings allgemeine Sicherheitslücken in Smartphones und Computern offengehalten und ausgenutzt werden, die auch von Kriminellen und feindlichen staatlichen akteuren ausgenutzt werden können. Dieses Verfahren bedroht letztendlich vor allem unschuldige Menschen, Firmen und unsere kritische Infrastruktur. Damit wird die innere Sicherheit nicht gestärkt, sondern massiv geschwächt. Wir lehnen deshalb den Einsatz von Staatstrojanern ab, sowohl in Form der Quellen-Telekommunikationsüberwachung als auch der Online-Durchsuchung.
Wir setzen uns dafür ein, dass von der Polizei kontrollierte Personen eine sogenannte Kontrollquittung ausgehändigt bekommen, die erklärt, wann, wo und warum kontrolliert wurde. Die Quittung ist ein Gewinn für Bürger*innen und Polizist*innen zugleich. Betroffene können ihre Erfahrungen nachweisen und sichtbar machen, während Polizist*innen ihr Verhalten transparent festhalten können, um den Vorwurf von Vorurteilen und Stereotypen auszuräumen. Wir wollen dafür sorgen, dass Bodycams von Polizist*innen verlässlicher bei Einsätzen eingeschaltet werden. Das kann unter anderem automatisch beim Ziehen von der Schusswaffe, aber auch auf Verlangen der gegenüberstehenden Bürger*innen geschehen. Wir setzen uns für mehr externe wissenschaftliche Begleitung der Polizeiarbeit ein und wollen es Beamt*innen erleichtern, bei Einsätzen psychologisches Fachpersonal hinzuzuziehen, um Situationen zu deeskalieren.
Verfassung schützen
Wir stehen einem nachrichtendienstlich organisierten Verfassungsschutz zwar kritisch gegenüber, solange es ihn gibt, muss er aber auch seine Aufgaben gut erfüllen können. Der Brandenburger Verfassungsschutz hat richtige Lehren aus dem NSU-Untersuchungsausschuss gezogen und sich positiv entwickelt. Heute gibt es mehr parlamentarische Kontrolle, eine transparentere Kommunikation mit der Öffentlichkeit, neue Prozesse und insbesondere Verbesserungen beim Einsatz von V-Personen. Der Einsatz von V-Leuten ist ein besonders sensibler Teil der Arbeit des Verfassungsschutzes und muss immer wieder kritisch begutachtet und bei Problemen nachgesteuert werden. Um der zunehmenden Bedrohung unserer Demokratie durch Verfassungsfeinde entgegenzutreten, die insbesondere von rechtsextremen Bewegungen ausgeht, muss die Arbeit des Verfassungsschutzes einen Beitrag als Frühwarnsystem für Politik und Gesellschaft leisten.
Die unabhängige Kontrolle der Behörde muss weiter ausgebaut werden. Vertrauen braucht auch Transparenz: Die Bereiche der Verfassungsschutzarbeit, die nicht aus Sicherheitsgründen geheim gehalten werden müssen, sollen öffentlich zugänglich sein und diskutiert werden. Zum anderen soll der Verfassungsschutz mehr mit der Wissenschaft – insbesondere der Forschung zu verfassungsfeindlichen Bewegungen – zusammenarbeiten.
Um unsere demokratische Verfassung schützen zu können, müssen wir auch neue Wege im Kampf gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen gehen und sprechen uns daher für die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die Alternative für Deutschland (AfD) auf Bundesebene aus und wollen auf Landesebene ein Verbotsverfahren gegen die Junge Alternative (JA) und Alternative für Deutschland (AfD) beantragen.
In der aktuellen Legislatur gibt es erstmals einen Vizelandtagspräsidenten einer verfassungsfeindlichen Partei. Wir haben eine Verfassungsänderung angestoßen und durchgesetzt, welche die Regeln für die Besetzung der Posten im Landtagspräsidium ändert, und setzen uns weiter dafür ein, Verfassungsfeinde in ihre Schranken zu weisen.
Deeskalation statt Taser
Seit die Elektroschockpistole, auch Taser genannt, in Brandenburg probeweise erlaubt ist, wird sie von der Polizei immer häufiger genutzt. Dass Polizeibeamt*innen dank des Tasers seltener zur Schusswaffe greifen, ist bisher aber nicht bestätigt. Stattdessen besteht mit dem Taser die Gefahr, dass Konfrontationen schneller durch unverhältnismäßige Gewalt beendet werden, als dass Polizist*innen deeskalieren. Für Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen kann der Einsatz der Schockwaffe tödlich enden.
Die Grundlage guter Polizeiarbeit sind Deeskalation und eine gute Ausbildung – nicht die Aufrüstung mit immer mehr technischen Geräten. Das gilt besonders in Bezug auf den Umgang mit psychisch erkrankten Menschen. Darum setzen wir uns dafür ein, dass der immer weiter ausgeweitete probeweise Einsatz von Tasern durch die Brandenburger Polizei wieder beendet wird.
Investitionsprogramm für unsere Feuerwehren
Über 50.000 engagierte Ehrenamtliche sind in Brandenburg bei den Freiwilligen Feuerwehren und den Jugendfeuerwehren für die Sicherheit ihrer Kommunen im Einsatz. Sie tragen zudem zum Zusammenhalt im ländlichen Raum bei. Es sollte selbstverständlich sein, dass ihnen dabei gutes Equipment, verlässliche Einsatzfahrzeuge, angemessene und moderne Gebäude sowie ein breites Weiterbildungsprogramm zur Verfügung stehen. Wir wollen ein kommunales Investitionsprogramm schaffen, mit dem Kommunen den finanziellen Spielraum dafür bekommen. Für einen effizienten Beschaffungsprozess möchten wir Sammelbeschaffungen und Einkaufsgemeinschaften stärker etablieren.
Damit stärken wir den Freiwilligen Feuerwehren den Rücken und versetzen sie in Zeiten zunehmender Extremwetterereignisse in die Lage, die Bevölkerung effektiv vor Bränden und Katastrophen zu schützen. In der Weiterbildung legen wir ein besonderes Augenmerk auf Waldbrandszenarien und die Vernetzung bzw. den Wissensaustausch mit anderen, von Waldbränden betroffenen, Regionen.
Das System der Stützpunktfeuerwehren wollen wir evaluieren und auf die veränderten Anforderungen, wie klimabedingt vergrößerte Waldbrand- und Überschwemmungsgefahr anpassen. Der zweite Standort der Landesschule und Technischen Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz (LSTE) in Wünsdorf muss endlich wie vom Landtag beschlossen umgesetzt werden, um die angemessene Aus- und Fortbildung der Feuerwehrkräfte sicherstellen zu können.
Bei der Bekämpfung von Waldbränden aus der Luft setzen wir weiter auf die bewährte Zusammenarbeit mit Bundespolizei und -wehr, dabei werden wir die Kommunen von unzumutbaren Kostenbelastungen freistellen. Wir sind offen für alternative Methoden, neue Einsatzmittel wie etwa Drohnen(schwärme) wollen wir erproben.
Die Kampfmittelsuche und -beseitigung wollen wir mindestens im bisherigen Umfang fortführen.
Besonders unterstützen werden wir zudem Feuerwehren, welche für Einsätze bei Unfällen auf Autobahnen und vielbefahrenen Bundesstraßen zuständig sind.
Neben den Feuerwehren möchten wir auch die Brandenburgischen Hilfsorganisationen stärken, die einen wichtigen ehrenamtlichen Beitrag z.B. zu Katastrophenschutz, Wasserrettung und der Betreuung Hilfsbedürftiger leisten. Den Wasserrettungsdienst wollen wir gleichberechtigt mit dem bodengebundenen Rettungsdienst und der Luftrettung in das Rettungsdienstgesetz aufnehmen.
Kapitel 15: Integration, Asyl und Migration
Krieg und Gewalt, Verfolgung, Hunger, Klima- und Umweltkatastrophen: Es gibt viele Gründe, warum Menschen aus ihrer Region oder ihrem Land fliehen müssen und sich auf den meist gefährlichen Weg in eine ungewisse Zukunft begeben. Weltweit sind laut den Vereinten Nationen (UNO) über 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Nur ein Bruchteil von ihnen gelangt in unser Bundesland. Wir stehen für ein Brandenburg, in dem Menschen jeglicher Herkunft und unabhängig von Religion, Geschlecht und Alter Schutz und Frieden finden.
Nach Brandenburg kommen viele Menschen auch ganz gezielt. Insbesondere aus unserem Nachbarland Polen und weiteren EU-Staaten sind viele als Studierende, Auszubildende, Kolleginnen und Kollegen zu uns gekommen. Wir wollen weiter daran arbeiten unser Bundesland zur neuen Heimat für Fachkräfte aus aller Welt zu machen.
Wir stellen uns klar gegen rechte Populist*innen und Rechtsextreme, die Stimmungsmache auf dem Rücken geflüchteter Menschen betreiben. Geflüchtete und Menschen mit Migrationsgeschichte bereichern unsere Gesellschaft. Wir wollen vor allem die Kommunen strukturell besser dabei unterstützen, die Situation der Menschen direkt vor Ort zu verbessern. Wir setzen uns für eine Umgestaltung des Verteilmechanismus auf die Kommunen ein, so dass die Geflüchteten nicht mehr pauschal auf den ganzen Landkreis, sondern auf die Kommunen verteilt werden. Damit fördern wir die dezentrale Unterbringung und somit auch die Integration Geflüchteter. Unsere Kommunen brauchen aber auch mehr finanzielle Unterstützung, um die notwendige Infrastruktur zu schaffen und Geflüchteten ein neues Zuhause zu bieten. Für die Schaffung ausreichender Kita- und Schulplätze wollen wir ein Förderprogramm des Landes entwickeln. Die Kommunalen Investitionsprogramme (KIP) Kita und Schule wollen wir fortsetzen und einen Schwerpunkt
der Förderung auf die Schaffung von Kita- und Schulplätzen für geflüchtete Kinder und Jugendliche legen.
Die Flucht vieler Menschen aus der Ukraine nach Deutschland hat Brandenburg in den vergangenen zwei Jahren vor große organisatorische Herausforderungen gestellt. Dennoch stehen wir uneingeschränkt zu unserer Verantwortung für die Menschen, die vor Putins Angriffskrieg flüchten müssen. Dabei unterstützen wir auch russische Oppositionelle und russische Kriegsdienstverweigerer.
Gleichzeitig unterstreichen wir: Die Aufnahme von Geflüchteten aus Europa darf in keiner Weise zu Lasten von Geflüchteten aus anderen Teilen der Welt gehen. Wir wollen lokale Integrationsnetzwerke, etwa aus Ehrenamtlichen, örtlichen Betrieben, Wohnungsbaugesellschaften und Kirchen, sowie Netzwerke von aufnahmebereiten Städten und Gemeinden besonders fördern.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Fachkräfte gibt es im Kapitel „Ausbildung, Gute Arbeit und Fachkräfte”
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Demokratie gibt es im Kapitel „Demokratie und Antifaschismus”
So gelingt gute Integration
Viele Schutzsuchende warten noch viel zu lange auf Entscheidungen durch Behörden, dürfen nicht arbeiten und verharren jahrelang in Ungewissheit. Wir wollen darum für schnellere Prozesse in Asyl- und Einwanderungsverfahren sorgen. Dafür brauchen wir mehr qualifiziertes Personal in Ausländerbehörden. Analog zu den „Verfahrenshinweisen zum Aufenthalt in Berlin“ der Berliner Verwaltung wollen wir auch in Brandenburg einen festen Rahmen für aufenthaltsrechtliche Ermessensentscheidungen schaffen. Die Hinweise sollen u. a. sicherstellen, dass sich Menschen mit allen Aufenthaltsstatussen, auch vorläufigen und temporären, frei bewegen und reisen können. Damit entlasten wir die Landkreise und kreisfreien Städte und bringen Transparenz in die Entscheidungen.
Wir wollen ein breites, kreisübergreifendes und flächendeckendes Angebot an berufs- und ausbildungsbegleitenden Sprachkursen etablieren. Das Angebot an Deutschkursen an Universitäten für internationale Studierende soll ausgebaut werden. Weitere Sprachkurse sollen sich an Geflüchtete mit besonderen Bedürfnissen richten, zum Beispiel an Eltern mit kleinen Kindern. Sprachkurse sollen sich auch flexibler an unterschiedliche Lernniveaus anpassen. Menschen, die lateinische Buchstaben neu lernen müssen, wollen wir gezielt unterstützen, um den Deutsch-Test zu bestehen.
Viele Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten, brauchen zum Ankommen eine angemessene psychologische Betreuung. Dazu gehören auch geschlechtersensible Angebote für queere Geflüchtete und FINTA*. Wir wollen eine muttersprachliche Versorgung in Brandenburg ermöglichen. Therapeut*innen, die selbst geflüchtet sind und in Deutschland noch keine Zulassung haben, sollen in speziellen Beratungsstellen arbeiten dürfen und die Hürden zur Arbeitszulassung abgebaut werden. Wir wollen die psychologische Betreuung deutlich ausbauen und eine Regelfinanzierung der psychosozialen Einrichtungen und Stellen sicherstellen: Von niedrigschwelligen, stabilisierenden traumapädagogischen Angeboten bis hin zu Traumatherapie in Unterbringungen für Geflüchtete und Orten des Ausreisegewahrsams sowie Gesundheitszentren, Dolmetscher*innen und mehr Angeboten in Muttersprache. Um alle psychologische Erkrankungen angemessen behandeln zu können, braucht es eine ausreichende und langfristige Finanzierung von
Psychiater*innen und Neurolog*innen, um nachhaltige Therapien zu ermöglichen. Das Erfolgsmodell Telefon- und Videodolmetschen, das in der Kommunikation zwischen Geflüchteten und beispielsweise Ämtern und Krankenhäusern die Sprachbarriere überwindet, wollen wir weiter finanzieren.
Integration muss dort passieren, wo Menschen ankommen und leben: Darum wollen wir in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Willkommenszentren schaffen. Insbesondere Geflüchtete sollen hier zusätzliche Sprach- und Freizeitangebote sowie Orte der Glaubensausübung finden, mit Arbeitgeber*innen vernetzt werden, sowie Beratung zu Wohnungen, Kinderbetreuung, Alltag und Bürokratie erhalten. Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen benötigen zudem individuelle Beratungen im Bezug auf Pflegeunterstützung und Hilfe bei Antragstellungen an die zuständigen Stellen in ihrer Muttersprache oder mit Dolmetscher. In kommunalen Willkommenszentren sollen besonders schutzbedürftige Menschen, wie unbegleitete Minderjährige, schwangere Personen, Menschen mit Behinderung und queere Personen, Unterstützung finden und es sollen dort Integrationskurse für alle angeboten werden – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Dafür wollen wir auch lokale Willkommensinitiativen gezielt mit einbeziehen. Auch
an gemeinsamen Freizeitangeboten interessierte Bürger*innen sollen in den Willkommenszentren eine Anlaufstelle finden.
Integration braucht auch einen stabilen gesetzlichen Rahmen. Darum setzen wir uns für ein Brandenburger Integrationsgesetz ein. So machen wir die Mitsprache und Gleichberechtigung von Personen mit Migrationsgeschichte in allen Bereichen unserer Gesellschaft zum Gesetz. Im Integrationsgesetz soll ein Landesförderprogramm für die Integration in Kommunen sowie die Bekämpfung von Diskriminierung mit Hilfe von Beratungs- und Bildungsangebote und Beschwerdestellenenthalten sein. Die Beratungsstelle bei der Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg wollen wir über Ende 2024 hinaus erhalten und entfristen. Diese hat sich in den vergangenen Jahren als verlässliche und gut angenommene Unterstützung für alle Betroffenen bewährt.
Zusätzlich dazu wollen wir endlich ein Brandenburger Antidiskriminierungsgesetz verabschieden. Neue Rechtsschutzinstrumente nach Berliner Vorbild sowie eine neu einzurichtende Ombudsstelle werden dazu beitragen, Betroffene in der Durchsetzung ihrer Rechte wirkungsvoll zu unterstützen. Präventive und vielfaltsbezogene Ansätze sollen Antidiskriminierung und Vielfalt zum verbindlichen Leitprinzip der Brandenburger Verwaltungen und Sicherheitsbehörden (vor allem der Polizei) machen.
Wir setzen uns uneingeschränkt für flüchtende und geflüchtete Menschen ein. Die von diskriminierenden Vorurteilen geprägten Instrumente Bezahlkarte und Arbeitspflicht für Geflüchtete lehnen wir ab. Diese schaffen einen unnötigen bürokratischen Aufwand und erschweren die Integration.
Der Einführung einer Socialcard als digitale Übertragung der bisherigen Bargeldauszahlung (Verpflichtungsschein) für Menschen ohne Konto stehen wir grundsätzlich offen gegenüber, sofern Sanktionierungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind und das auch bleiben. Wir orientieren uns an der Socialcard der Stadt Hannover. Sie soll wie eine EC- oder Kreditkarte ohne eigenes Konto funktionieren. Wir wollen ankommenden Menschen durch die finanzielle Autononmie ihrer Würde bewahren und gleichzeitig neue Wege gehen, um die Kommunen und Behörden schrittweise zu entlasten.
Abschiebungen sind menschenunwürdig und nicht die Lösung für die aktuellen Herausforderungen.Bleiberechtsmöglichkeiten müssen geprüft und Integrationsleistungen gewürdigt werden statt Abschiebungen zu vollziehen. Dabei sollten Ausländerbehörden auch eine beratende Rolle einnehmen oder auf entsprechende Beratungsstellen/Härtefallkommission hinweisen. Oft stehen tatsächliche Hürden einer Abschiebung entgegen und die Zahl der Menschen, die tatsächlich abgeschoben werden können, ist gering. Jede Abschiebung aus Brandenburg muss transparent und detailliert samt Kosten und beteiligter Unternehmen aufgeschlüsselt werden. Wir setzen uns für eine schnelle und umfassende Integration von Geflüchteten ein.
Abschiebeeinrichtungen, wie das geplante nicht menschenrechtskonforme Abschiebezentrum am BER und kommunale Abschiebezentren, lehnen wir entschieden ab. Wir werden uns dafür einsetzen, den Bau des menschenrechtswidrigen Abschiebezentrums zu stoppen und aktuelle Verträge und Planungen rückgängig zu machen. Sogenannte "Asylverfahren in Drittstaaten" lehnen wir ab und schließen eine Beteiligung Brandenburgs daran aus.
Jegliche weitere Asylrechtsverschärfungen lehnen wir ab und treten diesen im Land und im Bund entschieden entgegen.
Landesaufnahmeprogramme ermöglichen eine sichere und geregelte Einreise. Wir wollen die schon bestehenden Landesaufnahmeprogramme weiterführen, ausbauen und um weitere Länder in Kriegs- und Krisenregionen erweitern. Das Landesaufnahmeprogramm Syrien hat sich in den letzten Jahren bewährt, weswegen wir es wieder einführen wollen. Für die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan wollen wir uns besonders einsetzen. Für Jesid*innen wollen wir einen Abschiebestopp erwirken.
Geflüchteten ein Zuhause geben
Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre haben wir gelernt: Die Unterbringung von schutzbedürftigen Menschen in zentralen Einrichtungen hilft weder Geflüchteten noch unserer Gesellschaft. Wir setzen uns für dezentrale Unterbringung in Wohnungen und Nachbarschaften ein, wo Menschen schneller Fuß fassen können. Familien mit Kindern in Gemeinschaftsunterkünften soll so früh wie möglich, spätestens nach 6 Monaten (inklusive der bereits in einer Erstaufnahmeeinrichtung verbrachten Zeit), eine eigene, dezentrale Unterkunft ermöglicht werden. Alle Menschen auf der Flucht müssen möglichst schnell aus der Erstaufnahmeeinrichtung gerecht in die Kommunen verteilt werden. Der Betrieb von Flüchtlingsunterkünften soll nur noch zulässig sein, wenn diese gesellschaftlich und infrastrukturell gut angebunden sind.
Die Zeit in Erstaufnahmeeinrichtungen soll auf maximal 3 Monate verkürzt werden. Die Schaffung von genügend Wohnraum durch kommunalen und seriellen Wohnungsbau ist nicht nur eine drängende Herausforderung für viele Bürgerinnen und Bürger, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Deshalb wollen wir entsprechende Förderprogramme für den Wohnungsbau verstärken, um für alle Menschen im Land genügend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Rechtliche Hürden für eine schnelle dezentrale Unterbringung wollen wir abbauen, denn: Dass Geflüchtete leichter ein Zuhause finden, wenn ihnen Gesetze nicht den Weg versperren, haben wir bei der Integration von Menschen aus der Ukraine gesehen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Wohnen gibt es in den Kapiteln „Bauen, Planen, Wohnen” und „Armut bekämpfen”
Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
Wir wollen Geflüchteten ohne festen Aufenthaltsstatus mit dem sogenannten Spurwechsel eine neue Perspektive geben. Der Spurwechsel bedeutet, dass Menschen ohne festen Aufenthaltsstatus einen Aufenthaltstitel erhalten können, wenn sie einen die Aufnahme einer Ausbildung oder einer Beschäftigung nachweisen können – egal, wann sie nach Deutschland gekommen sind. Damit holen wir Menschen aus der oft jahrelangen Ungewissheit, während sie auf die Entscheidung in ihrem Aufenthaltsverfahren warten. So geben wir Menschen eine Perspektive, bringen sie in Arbeit, bekämpfen den Fachkräftemangel und entlasten die Kommunen. Damit die Möglichkeiten des Chancen-Aufenthaltsrechts in Brandenburg einheiltich sinnvoll genutzt werden können, soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Innen- und Integrationsministerium, kommunaler Ebene sowie Beratungsstellen für Geflüchtete Richtlinien erarbeiten.
Menschen müssen einfacher in den Arbeitsmarkt einsteigen dürfen, auch wenn ihr Aufenthaltsstatus noch nicht abschließend geklärt ist. Wir wollen alle Arbeitsverbote für Geflüchtete abschaffen und die Möglichkeit vergrößern, Schul- und Bildungsabschlüsse nachzuholen. Dafür setzen wir uns auch weiterhin im Bund ein. Die Menschen, die nach Brandenburg kommen, bringen unterschiedliche Berufsausbildungen und -erfahrungen mit. Es braucht eine schnellere und flexiblere Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, damit Geflüchtete schneller in Arbeit, Sprache und Gesellschaft ankommen können. Zusammen mit dringend notwendigen Maßnahmen in der Bildungs- Familien- und Arbeitsmarktpolitik kann dies auch dazu beitragen, die angespannte Arbeits- und Fachkräftesituation zu entlasten.
Wir streben eine Fachkräfteoffensive an, mit der wir mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in den Arbeitsmarkt bringen.
Die Migrationssozialarbeit und das Integrationsbudget sind wichtige Bausteine für eine gelungene Integration in Brandenburg. Diese wollen wir verstetigen und flächendeckend ausbauen. Geschlechterspezifische Angebote für queere Geflüchtete und FINTA* sollen vermehrt angeboten werden.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Arbeit gibt es im Kapitel „Ausbildung, Gute Arbeit und Fachkräfte”
Einbürgerungen schneller bearbeiten
Derzeit liegen rund 5.000 Einbürgerungsanträge bei Brandenburger Ämtern ohne bearbeitet zu werden. Durch den Bearbeitungsstau leben Menschen in Unsicherheit und Enttäuschung. Wir wollen die Landkreise und kreisfreien Städte darum besser unterstützen, dass das nötige Personal für schnellere Prozesse eingestellt werden kann.
Kapitel 16: Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit
Auch, wenn unsere Gesellschaft moderner und weiblicher wird: Strukturell, also wenn es um Geld, Macht, Gesundheit oder Lebensqualität geht, haben wir bei der Gleichstellung von Männern und Frauen und Menschen anderer Geschlechter noch viel Arbeit vor uns auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Gesellschaft.
Die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen ist 2022 wieder gewachsen. In der Brandenburger Kommunal- und Landespolitik liegt der Anteil an Frauen bei höchstens einem Drittel und meist deutlich niedriger. Nur 31 Prozent der Professuren in Brandenburg sind von Frauen besetzt. Im Gegensatz dazu leisten Frauen weiterhin den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit für Kinder und ältere Menschen. Die überwältigende Mehrheit der Alleinerziehenden sind Mütter. Frauen sind viel stärker als Männer von Armut bedroht – besonders im Alter – und insgesamt weniger frei in ihrer Lebensgestaltung.
Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der alle gleiche Rechte und gleiche Chancen haben. Wir sehen, dass migrantische und queere Frauen sowie Frauen mit Behinderungen neben Sexismus darüber hinaus von Rassismus und weiteren Diskriminierungsformen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie in Wissenschaft, Kultur und Politik betroffen sind. Wir verstehen feministische Kämpfe intersektional: Alle Menschen sollen diskriminierungsfrei in Brandenburg leben können.
Feminismus ist ein Querschnittsthema.Deshalb werden feministische Perspektiven auch in den anderen Kapiteln thematisch aufgegriffen. So ist eine gut ausgebaute öffentliche Infrastruktur, zum Beispiel der verfügbare und bezahlbare Kita-Platz oder der gut ausgebaute öffentliche Nahverkehr ebenfalls ein feministisches Thema.
Wir wollen das Landesgleichstellungsgesetz überarbeiten und erweitern. Dazu wollen wir die Erkenntnisse aus der Coronapandemie aufgreifen und auf eine geschlechtergerechte Verteilung von Homeoffice und Teilzeitarbeit hinwirken. Die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten wollen wir stärken, die politische Beteiligung von Frauen befördern und die Überschneidung mit anderen Diskriminerungen in den Blick nehmen.
Familien- und Frauenverbände langfristig fördern
Nach jahrzehntelanger Ungleichbehandlung gegenüber anderen Verbänden, haben wir durch eine höhere Eingruppierung der Gehälter in Frauenverbänden hier endlich Gleichstellung erreicht. Das Gleiche fordern wir für Familienverbände. Außerdem wollen wir für Familien- und Frauenverbände die institutionelle und langfristige Förderung der Geschäftsstellen denen anderer Verbände angleichen, sowie angemessene Gehälter für die gut ausgebildeten Expert*innen ermöglichen.
Geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung
Frauen, inter*, trans*, nicht-binäre und agender Personen erhalten teilweise in Brandenburg eine weniger zielgerichtete Gesundheitsversorgung als Männer, denn in medizinischen Studien sind Männer häufig deutlich überrepräsentiert. Dadurch werden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Symptomatik von Krankheiten und in deren notwendigen Therapien nicht ausreichend oder gar nicht erkannt. Herzinfarkte werden beispielsweise aufgrund anderer Symptome oft später diagnostiziert. Auch Krankheiten wie Endometriose oder Lipödem werden aus den gleichen Gründen häufig nicht erkannt.
Mit einem Aktionsplan „Geschlechtergerechte Gesundheit” wollen wir uns für mehr Aufklärungskampagnen für Patient*innen und Mediziner*innen einsetzten, damit geschlechtsspezifische Unterschiede richtig erkannt und behandelt werden. Für eine leicht zugängliche und gut erreichbare Schwangeren- und Schwangerschaftkonfliktberatung weiten wir das Angebot an Beratungsstellen in allen Regionen aus. Beratungssuchende sollen flächendeckend Informationen über Sozialleistungen, Unterstützungen und medizinische Eingriffe erhalten. Um sichere und zugängliche Schwangerschaftsabbrücke weiterhin zu ermöglichen, wollen wir eine Bestandsaufnahme der Versorgung ermöglichen. Darauf aufbauend weiten wir Angebote gezielt aus, sorgen für mehr Transparenz für Betroffene und setzen uns dafür ein, dass der schonendere medikamentöse Schwangerschaftsabbruch an mehr Orten im Land angeboten wird. Schwangere aus Polen, die für eine Abtreibung nach Deutschland kommen, haben weiterhin unsere Solidarität und
Unterstützung. Wir wollen flächendeckende Verfügbarkeit der Mammografie zur Brustkrebsfrüherkennung verbessern. Wir wollen gemeinsam mit den Kommunen kostenlose Menstruationsartikel in Schulen, Hochschulen und an Landeseinrichtungen ermöglichen. An der neu entstehenden medizinischen Fakultät in Brandenburg wollen wir einen Forschungsschwerpunkt auf geschlechtersensible Medizin setzen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Gesundheit gibt es im Kapitel „Gesundheit und Pflege”
Mehr Frauen in die Politik
Nur zwei Landkreise in Brandenburg werden von Frauen geführt, keine kreisfreie Stadt. Sie stellen weniger als ein Fünftel der Bürgermeister*innen in den Gemeinden. Ebenso sind Frauen nicht ausreichend in Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen, Kreistagen oder im Landtag vertreten. Ursachen gibt es viele. Sie reichen von der aktiven Diskriminierung von Frauen in der männlich dominierten Politikszene bis zur schwierigen Vereinbarkeit von Politik und Familie.
Wir wollen Frauen, stärker für die Arbeit in der Politik begeistern, sie vorbereiten und beim Einstieg oder Ausüben ihres Mandats unterstützen. Dafür stärken wir Empowerment- und Mentoringprogramme sowie Frauennetzwerke. Wer für seine politische Tätigkeit die Betreuung von Kindern oder Pflege von Angehörigen bezahlen muss , muss die Kosten unkompliziert erstattet bekommen. Sitzungen sollen zu familienfreundlicheren Zeiten stattfinden und digital zugänglich sein. Wir setzen uns mit Partnern wie dem Brandenburger Städte- und Gemeindebund für Vereinbarungen zum respektvollen Umgang in den Kommunalvertretungen ein. Die Schwelle zur Hauptberuflichkeit soll für kommunale Gleichstellungsbeauftragten auf 10.000 Einwohner*innen abgesenkt werden. Sie brauchen einheitliche Rechte und Pflichten, denn das Grundrecht auf Gleichstellung darf kein kommunaler Flickenteppich sein. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass kommunale Beaufragte nicht für mehrere Zielgruppen gleichzeitig zuständig sind, denn
darunter leiden alle dieser wichtigen Themen. Die queerfeministische Jugendarbeit sollen besser finanziell ausgestattet werden. Unser Ziel bleibt weiterhin die paritätische Besetzung aller Mandate in unseren Parlamenten.Nach dem abschlägigen Urteil zum Paritätsgesetz wollen wir weitere rechtliche Möglichkeiten prüfen, Parität in kommunalen Vertretungen und im Landtag zu erreichen. Dazu stehen wir für notwendige Gesetzes- oder Verfassungsänderungen im Land zur Verfügung und unterstützen entsprechende Änderungen auf Bundesebene.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Kommunalpolitik gibt es in den Kapitel „Verwaltung, Finanzen und Kommunales” und „Demokratie und Antifaschismus”
Flächendeckende Geburtshilfe sichern
Wir wollen sichere Geburten in allen Landesteilen ermöglichen. Mit der Hebammenförderrichtlinie und dem Hebammenaktionsplan haben wir dafür viel erreicht. Mit der Einrichtung des Studiengang Hebammenwissenschaften in Eberswalde und dem bestehenden Standort in Senftenberg kommen viele junge Menschen in den Beruf.
Wir wollen den Hebammenaktionsplan zu einem umfassenden Aktionsplan „Sichere Geburtshilfe“ ausweiten. Gebärenden wollen wir Wahlfreiheit über die Umstände ihrer Geburt ermöglichen und dazu auch die Gründung weiterer Geburtshäuser fördern. Hebammen, die den Beruf nicht studiert haben, wollen wir die nachträgliche Qualifizierung erleichtern. Wir initiieren gemeinsam mit Krankenhäusern ein Pilotprojekt für hebammengeleitete Kreißsäle und wollen eine 1:1-Betreuung der Gebärenden durch Hebammen ermöglichen. Geburtshilfe-Kliniken müssen sicherstellen, dass der Kreißsaal 24 Stunden verfügbar ist. Traumatische Geburtserfahrungen werden in der Gesellschaft ungern besprochen. Der Aktionsplan soll auch hier Betreuungsangebote entwickeln.
Wir setzen uns dafür ein, dass die vier Level-I-Zentren für Frühgeborene im Land weiter erhalten bleiben. Im Rahmen der Krankenhausreform des Bundes wollen wir dafür Sorge tragen, Geburtshilfestationen flächendeckend zu erhalten.
Frauen und Kinder vor Gewalt schützen
Frauen sind am häufigsten von häuslicher Gewalt betroffen. 2022 waren es in Brandenburg 3.583 Frauen, wobei von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen wird. Wir haben auf dem Weg zur Umsetzung der „Istanbul-Konvention“ zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt viel erreicht. Wir haben die Förderung für Frauenhäuser und Beratungsstellen ausgebaut. Wir haben die Kostenfreiheit von Frauenhausplätzen und in Rathenow einen Neubau ermöglicht. Und natürlich dürfen wir uns nicht nur um die Folgen der Gewalt kümmern, sondern müssen bei der Prävention anfangen. Wir kämpfen dafür, dass Frauen und ihre Kinder gewaltfrei leben können. Betreuungsangebote sollen Opfer von häuslicher Gewalt dabei unterstützen, sich aus dieser Situation zu befreien und Traumata zu bewältigen.
Wir wollen die Anzahl der Frauenhausplätze in Brandenburg weiter an den Bedarf anpassen (pro 100.000 Einwohner*innen ein Frauenhausplatz) und mehr Beratungsangebote in allen Regionen des Bundeslands ausbauen. Es braucht dabei auch berrierefreie Wohnmöglichkeiten, um auch Frauen mit Behinderungen Schutz bieten zu können. Das Angebot von kulturspezifischen und nicht-deutschsprachigen Angeboten wollen wir ausbauen. Für Polizei, Verwaltung und Justiz wollen wir mehr Schulungen im Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt anbieten.
Das Programm „Täterarbeit“ soll verstetigt und ausgebaut werden. Die von uns eingerichtete Koordinierungsstelle bei der Landesregierung zur Umsetzung der „Istanbul-Konvention“ wollen wir weiter stärken und noch besser ausstatten. Um häusliche Gewalt zu verhindern, wollen wir mehr Gewaltpräventionsangebote an Schulen bringen. Femizide, also Morde an Frauen, wollen wir als eigene Kategorie in der Kriminalstatistik führen und das Problem so sichtbar machen.
Kapitel 17: Kultur und Medien
Kunst und Kultur zu erleben, bedeutet neue Denkweisen kennenzulernen, gesellschaftliche Fragen zu reflektieren und kreative Freiheit zu spüren. Kurz gesagt: Eine offene und demokratische Gesellschaft braucht Kultur. Kulturelle Teilhabe und Bildung sind für uns ein Menschenrecht, zu dem wir allen Brandenburger*innen Zugang ermöglichen wollen. Kulturelle Bildung hilft bei der Entwicklung von Schlüsselkompetenzen und schafft Verständigung. Wir möchten die Kultur in die Breite der Gesellschaft und alle Ecken des Landes tragen und auch für mehr kulturelle Angebote in anderen Bereichen sorgen – zum Beispiel in der Gesundheit, der Bildungs- und Jugendarbeit. Dabei ist uns die instituionell geförderte Kulturlandschaft genauso wichtig wie die Soziokultur und die freie Szene.
Die Lohnlücke, besonders zwischen Männern und Frauen, ist im Kulturbereich enorm groß. Wir machen uns darum für eine gerechte und geschlechterunabhängige Bezahlung stark. Wir wollen landesgeförderte Ausstellungen und Personalpositionen paritätisch besetzen, um Frauen gezielt zu fördern. Ausstellungshonorare sollen bei öffentlich-rechtlich geförderten Einrichtungen die Regel werden.
Wir begrüßen die neue „Kulturpolitische Strategie” des Landes und wollen sie mit spezifischen Maßnahmen untersetzen und finanzieren. Wir wollen das Thema „Green Culture” voranbringen, indem wir Fördermöglichkeiten für Kulturschaffende und Institutionen einführen, die Nachhaltigkeit konkret umsetzen wollen. Wir wollen die Kulturstrategie des Landes auch in Zukunft weiterentwickeln. Beispielsweise wollen wir Barrierefreiheit, Familienfreundlichkeit und die Beteiligung unterrepräsentierter Gruppen deutlich verbessern.
Eine vielfältige und unabhängige Medienlandschaft mit privat finanzierten Medien und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist lebenswichtig für unsere Demokratie. In Zeiten von Fake News und Verschwörungserzählungen brauchen wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auf den man sich verlassen kann. Er hat die Freiheit, unabhängig von Werbeeinnahmen und Klickzahlen guten Journalismus für alle zu machen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Lokaljournalismus gibt es im Kapitel „Ländliche Räume”
Glaubenskultur erlebbar machen
Glaubensfreiheit hat in Brandenburg eine lange Tradition. Alle Menschen in Brandenburg sollen die Freiheit haben, ihren Glauben selbstbestimmt zu leben, sofern sie dabei das Grundgesetz achten. Wir treten Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und jeglicher Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit entschlossen entgegen. Wir unterstützen die Arbeit der Fachstellen Antisemitismus und Islam.
Die christlichen Kirchen und ihre Vertreter*innen sind wichtige Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Sie engagieren sich für das Gemeinwesen und den Zusammenhalt, für die Umwelt und das Klima sowie für die Integration von Geflüchteten und die Seenotrettung. Gelebte Glaubensvielfalt und eine dialogische, reflektierte Religionspädagogik sind wichtige Elemente, um Demokratiekompetenz zu fördern.
Wir unterstützen besonders diejenigen Engagierten in den Kirchen, die sich für Reformen, für die Rechte von Frauen und queeren Menschen sowie für die Aufklärung der Fälle sexuellen Missbrauchs und Prävention einsetzen.
In Brandenburg gibt es etwa 1500 Dorfkirchen. Sie stiften Identität gerade in ländlichen Regionen, sind aber oft vom Verfall bedroht. Wir haben die Mittel für den Erhalt der Dorfkirchen erhöht und wollen die Förderung weiter aufstocken. Wir unterstützen Kirchengemeinden, Initiativen und Kommunen dabei, Dorfkirchen als soziale Treffpunkte und kulturelle Veranstaltungsorte zu entwickeln.
Die Bekämpfung von Antisemitismus hat bei uns Verfassungsrang. Wir haben am Landtag die Stelle für eine*n Antisemitismusbeauftragte*n geschaffen. Wir unterstützen die vielfältigen Bestrebungen zur Förderung jüdischen Lebens. Potsdam als Landeshauptstadt wird endlich wieder eine Synagoge haben. Die Rabbiner*innen und Kantor*innen-Ausbildung in Potsdam wollen wir auf neue Füße stellen.
Wir erwarten, dass sich die muslimischen Verbände in Brandenburg klar von den Taten der Hamas und israelfeindlichen Bestrebungen distanzieren. Die große Mehrheit der Muslim*innen hier lebt friedlich Seite an Seite mit Vertreter*innen anderer Religionsgemeinschaften oder konfessionslosen Menschen.
Wir unterstützen die Einrichtung von Gebetsräumen. Diese sind selbstverständlich auf Vielfalt und ein demokratisches Miteinander ausgerichtet. Multireligiöse Projekte wie das House of One sehen wir als beispielhafte Orte für interreligiösen Dialog.
Baukultur und Denkmale erlebbar machen
Wir wollen die Ziele des Nachhaltigen Planens und Bauens sowie Bürger*innenbeteiligung und Mitwirkung der Zivilgesellschaft stärker in unserer Baukultur verankern und unser baukulturelles Erbe bewahren und erlebbar machen. Dabei dreht sich nicht immer alles um Schlösser und Gärten: Auch die jüngere Zeitschichten sind wichtige Teile unserer Baukultur, an die wir mehr Menschen heranführen und die wir erhalten wollen.
Mit einer Landesstrategie Baukultur wollen wir die verschiedenen Ressorts der Landesregierung, die kommunale Ebene und Bürger*innen sowie Verbände, Kammern und Vereine mit Expert*innen und Fachkräfte aus den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Kultur, Klimaschutz, Wissenschaft und Kunst zusammenbringen, wenn es um Klimaschutz und Klimaanpassung geht, um Raum- und Regionalplanung in der ganzen Metropolregion Berlin-Brandenburg, um die Stadtentwicklung in Städten und Dörfern, um unsere Kulturlandschaft, um die Zukunft des Planens und Bauens, um Denkmalschutz, um ländliche Entwicklung oder um aktuelle Planungs- und Baumaßnahmen in den Städten und Dörfern Brandenburgs geht.
Dafür wollen wir eine Landesstiftung Baukultur auf den Weg bringen. Erfolgreiche Formate wie den Landeskonvent Baukultur, Tag der Baukultur, Stadt-Land gestalten und mobiler Gestaltungsbeirat soll es auch in Zukunft geben. Das Konzept der Baukulturgemeinde wollen wir in Brandenburg weiterentwickeln.
Im Denkmalschutz wollen wir mehr Geld als bisher zur Verfügung stellen, um Förderprogramme des Bundes zu nutzen und private Denkmaleigentümer*innen zu unterstützen. Die Förderung für den Erhalt von Dorfkichen wollen wir - wie im aktuellen Landeshaushalt begonnen - stufenweise aufstocken.
Nicht nur für denkmalgeschützte Gebäude und Kunstwerke tragen wir eine Verantwortung. Brandenburg hat als erstes Bundesland durch Bündnisgrüne Initiative Mittel für die Dokumentation der Ostmoderne bereitgestellt und fördert den Erhalt von Kunst am Bau aus dieser Zeit. Das wollen wir fortsetzen und ausweiten.
Den Abriss des denkmalgeschützten Generalshotels als Ort deutsch-deutscher und europäischer Geschichte auf dem Flughafen BER betrachten wir als fatalen Fehler und auch als mahnendes Beispiel, dass nicht noch mehr Denkmale aus der Zeit gefallenen Planungen und überdimensionierten Neubauprojekten zum Opfer fallen dürfen. Damit verlieren wir nicht nur wertvolle Bausubstanz, Kunstwerke und graue Energie, sondern auch geschichtsträchtige Orte, die sinnvoll weitergenutzt werden könnten. Diesen Maßstab wollen wir auch auf andere Fälle anlegen und zum Beispiel prüfen, ob die Villa und Hochschule Bogensee - als ehemaliger Sitz der Nationalsozialisten und später der FDJ - nachgenutzt und als mahnender Ort erlebbar gemacht werden kann.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Bauen gibt es im Kapitel „Bauen, Planen, Wohnen”
Kultur in allen Landesteilen fördern
Im ländlichen Raum und in kleineren Städten gibt es viele wichtige Kulturorte, die durch ehrenamtlich Engagierte am Leben gehalten werden. Der Zugang zu Kunst und Kultur bedeutet Lebensqualität und lockt junge Familien, Unternehmen und Fachkräfte in die dünner besiedelten Regionen unseres Bundeslandes.
Wir wollen Kultur in der ganzen Breite des Landes mit mehr Geldern fördern, zum Beispiel durch die „Plattform Kulturelle Bildung“, eine Verstetigung der „kulturellen Ankerpunkte“ und durch Sanierung und Öffnung von Dorfkirchen für soziokulturelle Zwecke. Wir haben die Finanzierung der freien Theater verdoppelt, auch mit dem Ziel, mehr Theater im allen Landesteile in die Förderung aufzunehmen oder längerfristig zu sichern. Diese Fördertreppe werden wir weiter beschreiten, bis die freien Theater 10 Prozent der Theaterförderung erhalten. Dabei wollen wir Möglichkeiten zur strukturellen Förderung freier Theater schaffen. Um das Bundesland der Festivals zu werden, verbessern wir die Förderstruktur und werden die Rahmenbedingungen für Festivals und soziokulturelle Projekte weiter erleichtern sowie eine Zuständigkeit in der Landesregierung schaffen.
Wir werden bei der Weiterentwicklung der Förderstrategie berücksichtigen, dass viele Kultureinrichtungen und Kulturschaffende noch immer unter den Folgen der Corona-Pandemie und den Preissteigerungen leiden. Mit unserer Kulturförderung wollen wir auch die Gewährleistung von Mindesthonoraren verbinden. Wir wollen die Beantragung und Nutzung von öffentlichen Fördergeldern so weit wie möglich vereinfachen. Anstatt jede Quittung abzurechnen, sollen Anträge und Abrechnungsmodalitäten zukünftig vereinheitlicht und entbürokratisiert werden.
Musik- und Kunstschulangebote, die Kooperationsprogramme „Musische Bildung für alle“ sowie Projekte im Klassenverband wie „Klasse:Kunst“ wollen wir ausweiten - auch gezielt im ländlichen Raum wie das baukulturelle Bildungsprojekt „Stadtentdecker“. In landesgeförderten Kulturorten sollen Schulklassen, Auszubildende, Senior*innen und Studierende in Zukunft freien Eintritt erhalten.
Das vorbildhafte Brandenburger Musik- und Kunstschulgesetz wollen wir weiterentwickeln. Wir werden damit die Rahmenbedingungen schaffen, dass Musik- und Kunstschulen ihre Lehrkräfte halten und bedarfsgerecht Nachwuchskräfte einstellen können.
Vergessen verhindern, Erinnerung fördern
Es gibt nicht mehr viele lebendige Zeitzeug*innen, die uns die Verbrechen des Nationalsozialismus vor Augen führen können. Mit ihnen scheint auch die Erinnerung und das Gedenken in besorgniserregendem Tempo zu verblassen. Wir sehen, wie faschistische Kräfte stärker werden und Lehrkräfte über rechte Vorfälle an Schulen Alarm schlagen. In diesem Klima ist für uns klar: Wir wollen unsere antifaschistische Gedenkkultur verteidigen und verstetigen. Dazu gehört auch, das Programm „Tolerantes Brandenburg“ zu stärken.
Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch im Laufe seiner Schullaufbahn mehrfach die Möglichkeit erhält, im Klassenverband eine Gedenkstätte besuchen zu können. Insbesondere den Besuch einer KZ-Gedenkstätte erachten wir als notwendig für die bildungspolitische Entwicklung. Wir wollen in jedem Landkreis eine Stelle schaffen, die die Gedenk- und Aufklärungsarbeit an allen Schulen im Landkreis organisiert und bündelt. Damit entlasten wir Lehrkräfte vor Ort, die die schulische Gedenkarbeit bisher im Alleingang stemmen. Um Relativierungen der Shoah und Verschwörungsmythen entgegenzutreten, wollen wir auch die politische Bildungsarbeit der Gedenkstätten, Opferverbände und Bildungsträger stärker unterstützen.
Um die Aufarbeitung und das Gedenken an die Opfer der DDR-Diktatur am Leben zu halten, wollen wir neue regionale Erinnerungsorte schaffen und die bestehenden erhalten und stärken. So können sich vor allem junge Menschen auf neue Art mit der Geschichte befassen . Wir setzen uns beim Bund weiterhin dafür ein, das Stasi-Unterlagen-Archiv in Frankfurt (Oder) zügig zu modernisieren und die Außenstelle in Cottbus voranzubringen. An beiden Standorten braucht es ein umfangreichensBildungsangebot und mehr Personal.
Auch dürfen wir nicht aufhören die Härten, die aus der Wiedervereinigung resultiert sind, zu thematisieren und an Lösungen zu arbeiten. Gerade hier sind noch immer die Fälle von Enteignungen im Zuge der Rückabwicklung der Bodenreform schmerzhafte Einschnitte in Familiengeschichten, die Narben hinterlassen haben. Die Aufarbeitung des Unrechts, das den Neusiedlererben widerfahren ist, darf kein Ablaufdatum haben. Insbesondere die Suche nach unbekannten Erben muss weiter gehen.
Das Konzept für Erinnerungskultur des Landes wollen wir überarbeiten und die neu hinzugekommenen Gedenkstätten in Jamlitz bei Lieberose und Potsdam integrieren. Auch die Zeit der sowjetischen Besatzung und der DDR soll endlich systematisch im Konzept für Erinnerungskultur bearbeitet werden.
Ansprüche der Familie Hohenzollern auf Rückgaben und Entschädigungen konnten wir erfolgreich abwehren. Unsere Linie bleibt klar: kein Unter-den Tisch-Kehren von Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus. Bei Verhandlungen über noch strittige Objekte wird das unser Ziel bleiben. Offene Eigentumsfragen müssen transparent, notfalls gerichtlich geklärt werden.
Fünf der zehn Speziallager der sowjetischen Besatzungsmacht liegen in Brandenburg, darunter auch zwei von den Nazis als KZ genutzte Lager. Allein in Sachsenhausen starben innerhalb von 5 Jahren 12.000 der insgesamt 60.000 oft völlig willkürlich und ohne jedes Urteil Inhaftierten. Bis heute gibt es für die Opfer und deren Familien aufgrund von Zuständigkeitsfragen zwischen Russland und Deutschland keine Entschädigung oder Rehabilitation. Das Leid der Menschen darf nicht weiter ungesühnt bleiben. Daran muss die nächste Landesregierung arbeiten.
Zudem treten wir für eine klare Position des Landes im Stiftungsrat der Garnisonkirche ein. Es braucht endlich eine deutliche Abgrenzung gegenüber rechtsextremen Ursprüngen des Projekts und eine friedliche Koexistenz mit dem Rechenzentrum, in dem auch landesgeförderte Kultur- und Wissenschaftsakteure ansässig sind. Den Bau des Kirchenschiffs und weitere öffentliche Gelder lehnen wir daher ab.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Demokratische Gesellschaft gibt es im Kapitel „Demokratie und Antifaschismus”
Queeres Gedenken und Erinnern
Erst langsam nehmen die deutsche Gedenkkultur und Bildungsarbeit bei der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus eine Gruppe in den Blick, die lange vernachlässigt wurde: Menschen, die von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer sexuellen und/oder ihrer geschlechtlichen Identität ausgegrenzt, verfolgt oder ermordet wurden. Wir wollen Forschungs- und Bildungsprojekte besonders fördern, die diese Gruppen und ein angemessenes Gedenken in den Gedenkstätten der ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen, Ravensbrück und in den Gedenkorten der Außenlager Uckermark und Klinkerwerk Oranienburg sichtbar machen.
In der Gedenkstätte Sachsenhausen wollen wir die Gedenkveranstaltungen zum 27. Januar mit einem Gedenken für die Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität oder ihrer geschlechtlichen Identität von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, verbinden. Das Konzept für Erinnerungskultur des Landes soll die in den letzten Jahren neu geschaffenen Gedenkzeichen und Gedenkformate für verschiedene Opfergruppen aufnehmen. Dazu zählen etwa die Gedenkkugel für lesbische Insassinnen im KZ Ravensbrück oder das Gedenken im Klinkerwerk Oranienburg an schwule Opfer, die dort durch Zwangsarbeit und bei Mordaktionen zu Tode kamen .
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Queeres Leben gibt es im Kapitel „Selbstbestimmung, Vielfalt und Inklusion”
Kolonialgeschichte mit Verantwortung begegnen
Zu einer lebendigen und demokratischen Gesellschaft gehört auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Während der Kolonialzeit wurden schwere Verbrechen begangen und ganze Kontinente ausgebeutet. Wir unterstützen daher alle Bemühungen, die koloniale Vergangenheit Brandenburgs, Deutschlands und Europas umfassend aufzuklären. Dazu gehört es, erinnerungskulturelle Angebote weiter auszubauen, neue Gedenkorte und dezentrale Lernorte zu schaffen, Ausstellungen zu überarbeiten und Landesmittel für die Erforschung der Kolonialgeschichte bereitzustellen. Wir unterstützen die Errichtung eines Lern- und Erinnerungsortes gemeinsam mit dem Bund als zentrale Gedenkstätte für die Opfer des deutschen Kolonialismus. Wir setzen uns für die Einrichtung einer unabhängigen Kommission auf Bundesebene ein, die untersucht, wie Brandenburg und seine politischen Vorgänger am Kolonialismus beteiligt waren und welche Folgen bis heute nachwirken.
Den Museumsverband unterstützen wir in seinen Bemühungen, die Inventarlisten der Brandenburger Museen und Sammlungsbestände offenzulegen und eine transparente und umfassende Provenienzforschung voranzubringen. Die bislang dafür zur Verfügung stehenden Personalmittel wollen wir ausbauen. Wo es gerechtfertigt ist, müssen Kolonialverbrechen öffentlich anerkannt und koloniale Raubkunst sowie menschliche Überreste den Herkunftsgesellschaften proaktiv zurückgegeben werden.
Die Aufarbeitung des Kolonialismus soll zudem zentrales Thema bei der Überarbeitung des Brandenburgischen Konzepts Erinnerungskultur werden, wobei wir Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft aktiv einbinden wollen. Wichtig ist uns, dass Konzepte in einem engen Austausch mit Menschen mit Fluchterfahrung undden Nachkommen der Menschen aus den ehemaligen Kolonien entwickelt werden.
Den rbb für das ganze Land aufstellen
Nach dem Skandal um den Missbrauch von Geldern beim rbb (Rundfunk Berlin Brandenburg) haben wir mit dem neuen Staatsvertrag erreicht, dass rbb-Intendant*innen nicht mehr verdienen dürfen, als Minister*innen. Wir haben den rbb demokratischer gemacht und Rundfunk- sowie Verwaltungsrat deutlich gestärkt. Wir haben uns für mehr Mitbestimmung durch die vielen sogenannten „festen Freien“ eingesetzt.
Besonders wichtig ist uns, dass der rbb in Zukunft mehr Berichterstattung über, aus und für Brandenburg macht. Wir haben uns darum erfolgreich für ein neues Regionalbüro in Brandenburg an der Havel stark gemacht. Wir setzen uns dafür ein, dass es mehr regionales Programm aus Potsdam und den Regionalstudios gibt. Zu einer guten Berichterstattung gehört aber auch, dass die Reporter*innen in den Studios durch feste Abnahmeverträge von ihrer guten Arbeit leben können.
Der journalistische Nachwuchs des rbb soll auch in Zukunft in Brandenburg ausgebildet werden. Die Electronic Media School (EMS) wollen wir zu einer crossmedialen Journalist*innenschule für Brandenburg und Berlin weiterentwickeln, die qualifizierten Journalist*innennachwuchs für die Zukunft sichert.
Über den rbb mitbestimmen können die Menschen in Brandenburg durch den Rundfunkrat. Damit dieser auch wirklich unsere Gesellschaft abbildet, muss er in Zukunft diverser besetzt werden. Wir brauchen aber darüber hinaus noch mehr Mitsprachemöglichkeiten für das Publikum, zum Beispiel durch einen Publikumsrat, und neue digitale Beteiligungs- und Dialogoptionen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Lokaljournalismus gibt es im Kapitel „Ländliche Räume”
Kapitel 18: Selbstbestimmung, Vielfalt und Inklusion
Unsere Politik stellt den Menschen, seine Würde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit in den Mittelpunkt des Handelns. Wir arbeiten für eine Gesellschaft, die auf Förderung, Befähigung, Eigenmotivation und Mitwirkung der Menschen fußt. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Brandenburger*innen ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen und ohne Angst vor Diskriminierung und Ungleichbehandlung leben können. Das bedeutet aber auch: Wo unsere Gesellschaft den Menschen Steine in den Weg legt, müssen wir sie besonders fördern und Barrieren abbauen. Wo unsere Gesellschaft Menschen vergisst, müssen wir lautstark für sie einstehen. Inklusion und Vielfalt sind für uns Querschnittsthemen, die jeden Bereich unserer Gesellschaft berühren. Unsere Inklusionspolitik ist für alle da, unabhängig von den individuellen Möglichkeiten und Potenzialen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Gedenken an queeres Leben gibt es im Kapitel „Kultur und Medien”
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Demokratische Gesellschaft gibt es im Kapitel „Demokratie und Antifaschismus”
Überall Barrieren beseitigen
Brandenburg braucht mehr Inklusion. Wir wollen das Brandenburger „Behindertengleichstellungsgesetz” zu einem Inklusionsgesetz weiterentwickeln. Das von uns gestaltete Behindertenpolitische Maßnahmenpaket MAP 3.0 werden wir tatkräftig umsetzen. Wir schaffen eine unabhängige Monitoringstelle, die das neue Inklusionsgesetz und die Umsetzung des MAP 3.0 auf die Vereinbarkeit mit der UN-Behindertenrechtskonvention überprüft.
In der Arbeitswelt wollen wir die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stärker fördern. Mit Werkstätten für behinderte Menschen wollen wir darum verbindliche Übergangsquoten vereinbaren, um mehr Beschäftigten den Wechsel in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ausbildungs- und Arbeitsplätze in inklusiven Unternehmen wollen wir als Land besonders fördern. An der bundesweiten Diskussion um die Entlohnung der Menschen mit Behinderungen in Werkstätten werden wir uns mit dem Ziel beteiligen, den Mindestlohn auch in Werkstätten einzuführen. Wir werden den Anfang machen und den Mindestlohn in Brandenburger Werkstätten einführen.
Im Bereich barrierefreies Bauen und Wohnen soll Brandenburg Standards setzen: Die im MAP 3.0 verankerte neue Fachstelle für barrierefreies Bauen werden wir finanziell absichern. Diese soll auch Bürger*innen beim barrierefreien Umbau beraten. Für den Bau von öffentlichen Gebäuden und im sozialen Wohnungsbau wollen wir neue und wirksame Regeln entwickeln. Inklusive Wohnprojekte wollen wir fördern.
Wir wollen kommunale Behindertenbeauftragte, die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung und Inklusionsbeiräte stärken. In Zukunft soll in allen offiziellen Gremien, die sich in Brandenburg mit Behindertenpolitik beschäftigen, mindestens eine Person mit Behinderung stimmberechtigtes Mitglied sein. Menschen mit Behinderungen sollen sich außerdem stärker selbst vertreten können. Wir unterstützen weiterhin die Benennung und Ausbildung von Gleichstellungsbeauftragten in Werkstätten und Wohnformen für behinderte Menschen.
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Inklusive Bildung gibt es in den Kapiteln „Studium, Wissenschaft und Hochschule” und „Kita und Schule”
Vor Diskriminierung schützen
Das bundesweite „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz” hat zum Ziel, Diskriminierungen im privaten und öffentlichen Bereich zu bekämpfen, hat aber viele Lücken. Auch einige EU-Vorgaben sind momentan nicht ausreichend umgesetzt. Diskrminierung findet erwiesenermaßen sowohl bei Mietverhältnissen als auch bei Behördengängen statt. Brandenburg hat immer noch kein landeseigenes Antidiskriminierungsgesetz, das die bestehenden Lücken schließt. Das Gesetz soll klarstellen, welche Aufgaben das Land in diesem Bereich konkret hat und bundesweiten Vorbildcharakter haben.
Einer der Grundpfeiler der EU ist der freie Personenverkehr innerhalb der Mitgliedsstaaten. Für uns heißt das, dass das Grenzkontrollen nur in absoluten Ausnahmefällen stattfinden dürfen. Auf willkürlichen, teilweise auf rassistischen Annahmen beruhende Kontrollen von Reisenden lehnen wir ab. Für die Registrierung von Schutzsuchenenden schlagen wir sichtbare Anlaufstellen in direkter Grenznähe vor.
Queere Strukturen fördern und Gewalt bekämpfen
Queere Vereine und Initiativen leisten oftmals unbezahlbare Arbeit für unsere Gesellschaft. Dabei sind sie fast vollständig abhängig von der öffentlichen Finanzierung. Wir setzen uns für eine institutionelle, langfristige und höhere Förderung der Geschäftsstellen der queeren Vereine und Initiativen, wie das Projekt „Regenbogenfamilien in Brandenburg stärken!“, ein.
Wir entwickeln den Aktionsplan „Queeres Brandenburg“ ausgehend von der Evaluation unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und queerer Organisationen fort. Die Themenfelder sexuelle und geschlechtliche Vielfalt wollen wir stärker in Schulen und Unterricht integrieren. Die Bildungs- und Aufklärungsprojekte und queeren Initiativen in diesem Bereich wollen wir stärker fördern. Ferner werden wir den Aufbau eines queeren Bildungsnetzwerks mit einer Fachstelle für queere Bildung unterstützen.
In ganz Brandenburg sehen wir eine Zunahme von Hetze und Gewalt gegen queere Menschen. Die bestehenden Beratungsstrukturen für Opfer queerfeindlicher Gewalt wollen wir daher stärken und landesweit ausbauen. Auch die Mitarbeiter*innen von Polizei und Justiz wollen wir besser für queerfeindliche Gewalt sensibilisieren. Wir wollen Zufluchtsorte für von häuslicher Gewalt betroffene queere Menschen schaffen. Wichtig ist uns auch, die Situation queerer Geflüchteter zu verbessern und konkrete Projektideen unter Beteiligung der queeren Vereine umzusetzen. Mit einer landesweiten Kampagne gegen Hass und Hetze sowie für queere Vielfalt wollen wir zeigen: Dieser Hass hat in Brandenburg keinen Platz!
Hinweis: Mehr Projekte zum Thema Gedenken an queeres Leben gibt es im Kapitel „Kultur und Medien”