Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | 48. Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 29.04.2023 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Wir bewegen Brandenburg: nachhaltige Mobilität für Alle!
Beschlusstext
Mobil zu sein, bedeutet am Leben teilnehmen zu können. Egal ob auf dem Land oder in der Stadt: Alle Menschen in Brandenburg müssen in der Lage sein – unabhängig von Alter, Einschränkungen, Einkommen, Geschlecht – sich nach ihren Bedürfnissen gut fortbewegen zu können. Es ist wichtig, Brandenburgs Mobilität nachhaltig, barrierefrei, ökologisch, klima- und geschlechtergerecht zu gestalten. Mobilität muss als Grundbedürfnis für berufliche und gesellschaftliche Teilhabe außerdem für alle bezahlbar werden. Denn der Verkehrssektor ist nach wie vor einer der größten Verursacher von Treibhausgasen mit entsprechenden Folgen für unser Klima. Wir hier in Brandenburg spüren schon jetzt, was die Klimakrise mit unserer Heimat macht und in Zukunft noch stärker machen wird: Trockenheit, Waldbrände und Extremwetterereignisse nehmen seit Jahren zu. Dazu kommen andere Schadstoffemissionen, Lärmbelastungen und der Verlust wertvoller Flächen durch parkende Fahrzeuge in unseren Kommunen. Wir brauchen ein
Verkehrssystem, welches nicht immer mehr Platz braucht, immer mehr Lärm und Dreck erzeugt und am Ende für alle unbezahlbar ist. Und noch immer ist der Verkehr Todesursache Nummer 1 bei jungen Menschen. Eine sozial gerechte, inklusive Mobilität, die zu unserer Lebensqualität beiträgt und unser Klima schützt, ist daher für uns Brandenburger*innen unerlässlich.
Bis zu einer sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen, nachhaltigen und sicheren Moblitätsstruktur in Brandenburg ist noch viel zu tun.
Seitdem wir Bündnisgrüne in die Regierung eingetreten sind, haben wir uns auf den Weg gemacht und viele Veränderungen angestoßen:
- Es sind so viele Regionalzüge unterwegs wie noch nie. Im Vergleich mit 2017 wird die Verkehrsleistung des Regionalverkehrs bereits durch die jetzt vertraglich gesicherten Mehrbestellungen bis 2031 um über 40% steigen. Damit sind wir bundesweit spitze.
- Für i2030 wird viel Geld bereitgestellt. Erste kleinere Reaktivierungen und Gleisanschlüsse wurden umgesetzt. Für darüber hinaus gehende Reaktivierungen von Strecken und Bahnhalten wurde ein Reaktivierungsgutachten durchgeführt.
- Die Zahl der PlusBusse nimmt stetig zu. Die Mittel für den kreislichen Busverkehr steigen jährlich und werden 2024 komplett aus Landesmitteln finanziert. Darüber hinaus nahm und nimmt die Landesregierung viel Geld in die Hand, um die Folgen der Coronapandemie und der gestiegenen Energiekosten abzumildern und die Fahrzeugflotte auf klimafreundliche Antriebe umzustellen.
- Beim Landesstraßenbau gibt es so gut wie keinen Neubau mehr. In der Bauordnung wurde der Rahmen für Stellplatzsatzungen deutlich umweltfreundlicher gestaltet und über eine Verordnung haben die Kommunen mehr Freiräume bei der Gestaltung der Gebührenordnungen für das Anwohnerparken.
- Die Finanzierung des Radverkehrs wurde vervielfacht, eine erfolgreiche Lastenradprämie aufgelegt.
- Es werden innovative Mobilitätskonzepte, insb. für die letzte Meile, Gleisanschlüsse und Abbiegeassistenten gefördert.
Darüber hinaus befindet sich ein Brandenburger Mobilitätsgesetz in den Startlöchern. Mit dem Mobilitätsgesetz schaffen wir u.a. ein landesweites Radnetz, denken den öffentlichen Nahverkehr neu, erhöhen die Effizienz seines Mitteleinsatzes und beerdigen den Landesstraßenbedarfsplan. Die erfolgreiche Volksinitiative „Verkehrswende jetzt!“ wurde von 29.000 Menschen unterzeichnet. Sie wurde aus unseren Reihen angeschoben, viele bündnisgrüne Mitglieder haben die Volksinitiative von Beginn an begleitet und viele Unterschriften wurden durch Bündnisgrüne gesammelt. Wir haben uns für den Dialogprozess im Landtag engagiert und für das Mobilitätsgesetz gekämpft. Die erfolgreiche Volksinitiative „Verkehrswende jetzt!“ hat nicht nur gezeigt, welche Veränderungen wir Brandenburger*innen uns in der Mobilität wünschen. Mit dem Dialogprozess zeigt sie auch, dass eine Volksinitiative als Baustein unserer Demokratie in Brandenburg einen echten Unterschied machen kann: Brandenburg bekommt ein
Mobilitätsgesetz und wird damit zum Vorreiter unter den Flächenländern!
Doch es muss sich deutlich mehr bewegen, um den Verkehr klimaneutral zu machen und den Mobilitätsbedürfnissen von uns Brandenburger*innen Rechnung zu tragen. Der Blick auf die Bundesebene zeigt: Zum zweiten Mal in Folge hat der Verkehrssektor die Emissionsziele des Klimaschutzgesetzes verfehlt und noch immer hat Bundesverkehrsminister Wissing kein Maßnahmenpaket vorgelegt, das den Anforderungen des Expertenrats für Klimafragen genügt. Auch in Brandenburg trägt das Verkehrsministerium nicht ausreichend dazu bei, die Verkehrswende voranzutreiben und Klimaneutralität in der Mobilität zu erreichen. Viele Spielräume, die der Landtag dem Ministerium eröffnet hat, lässt es ungenutzt liegen. Das Gutachten zum Brandenburger Klimaplan, welches vor wenigen Wochen durch unseren bündnisgrünen Klimaminister Axel Vogel vorgestellt wurde, zeigt, dass weitere Schritte notwendig sind.
NÄCHSTE SCHRITTE FÜR DIE VERKEHRSWENDE IN BRANDENBURG
1. Erhalt vor Neubau - Klimaschädliche Straßenprojekte stoppen
In der Brandenburger Landesregierung haben wir erreicht, dass für den Straßenbau endlich der Grundsatz Erhalt vor Neubau gilt. Mit dem Mobilitätsgesetz werden die letzten Neubauprojekte bei Landesstraßen gestrichen. Dennoch sind weiterhin viele Straßenbauprojekte im deutlich veralteten Bundesverkehrswegeplan (BVWP) vorgesehen, die auch Brandenburg betreffen. Wir machen uns dafür stark, dass die schlimmsten Projekte, wie die OU Lübben, die OU Bad Freienwalde, die B167neu in Eberswalde und die B189 zwischen Wittstock und Mirow sofort gestrichen werden und dass bei sogenannten Erhaltungsmaßnahmen keine Erweiterungen der Straße erfolgen, sondern wirklich nur der aktuell bestehende Straßenkörper repariert wird.
2. Mehr Tempo, höherer Takt - Schienenverkehr ausbauen
Brandenburg ist bundesweite Spitze beim Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Darauf darf sich das Verkehrsministerium aber nicht länger ausruhen. Wer die Klimaziele für den Verkehrssektor erreichen und auch den Menschen im ländlichen Raum ein adäquates Mobilitätsangebot machen will, muss die Schiene als Rückgrat des ÖPNV begreifen. Drohende oder bereits eingetretene Angebotswegfälle, wie bei der RB73/74 und der RB63, konterkarieren die bisherigen Erfolge. Für den Landesnahverkehrsplan fordern wir unverzüglich 60min-Takte an allen Bahnhalten und auch Wochenendangebote für Linien wie die RB20. Für alle i2030-Projekte und die Vorhaben aus dem Reaktivierungsgutachten muss Verkehrsminister Beermann endlich einen Fahrplan inklusive Meilensteine vorlegen. Die Schorfheidebahn muss schnellstmöglich wieder zwischen Joachimsthal und Templin verkehren. Dieses Teilstück der Querverbindung zwischen RE3 und RE5 muss saniert und ausgebaut werden. Dafür muss schnellstmöglich die
Standardisierte Bewertung beauftragt werden. Ähnliches gilt für den Korridor von Neustadt (Dosse) nach Rostock. Unser Ziel ist es, den langsamen Niedergang der RB73/74 während des letzten Jahrzehnts endlich zu beenden und eine Alternativroute von Berlin in die Hansestadt an der Ostsee zu schaffen. Wir wollen, dass die Menschen in Mittelzentren wie Templin das Berliner Zentrum via Schiene - in diesem Fall mit der RB12 - in deutlich weniger als 90 Minuten erreichen können. Im Süden fehlt, nach der Optimierung mit Weicheneinbau und Nordkopf, ein Plan zum Gesamtumbau des Bahnhofs Königs Wusterhausen. Ziel müssen zukünftig mehrere Regionalgleise unabhängig und getrennt von S-Bahn sein, insbesondere um die Anbindung der Strukturwandelregion Lausitz zu steigern. Bei der Reaktivierung von Bahnhalten müssen auch Halte aus der Kategorie B des Reaktivierungsgutachtens, wie Booßen oder Schönwalde (Glien), weiterverfolgt werden. Stilllegungen und Entwidmungen von Zugstrecken lehnen wir weiterhin
entschieden ab.
3. Bezahlbar unterwegs - Deutschlandticket zu Ende denken
Dass Menschen bereit sind, vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, hat uns der Erfolg des 9-Euro-Tickets vor Augen geführt. Aus diesem Grund haben wir vehement ein Nachfolgeticket eingefordert. Bundesverkehrsminister Wissing hat lange versucht, eine Nachfolgeregelung auszusitzen und die Verantwortung von sich gewiesen. Dass das „Deutschlandticket“ jetzt kommt, ist ein Meilenstein auf dem Weg hin zur klimaneutralen Mobilität und lichtet den Tarifdschungel in der Bundesrepublik. Dennoch ist das 49-Euro-Ticket noch nicht für alle eine passende Lösung. Das gilt für Menschen in den ländlichen Räumen Brandenburgs mit unzureichendem ÖPNV und für diejenigen, für die auch ein 49-Euro-Ticket die finanziellen Möglichkeiten noch übersteigt. Positiv ist die anvisierte Job-Ticket-Variante für knapp 35€, für die es grundsätzlich keine Mindestanzahl an Beschäftigten geben darf. Ebenfalls ein guter Schritt ist das Zukauf-Modell für Studierende mit Semestertickets. Wir Brandenburger
Bündnisgrüne setzen uns allerdings dafür ein, dass das Zukauf-Modell für Studierende zu einem bundesweit einheitlichen 29€-Bildungsticket für Studierende, Azubis undSchüler*innen weiterentwickelt wird. Auch Rentner*innen und Transferleistungsempfänger*innen wollen wir gemeinsam mit Berlin den Preis von 29 Euro anbieten. Für Schüler*innen mit Transferleistungsbezug setzen wir uns für die vollständige Kostenübernahme des Deutschlandtickets ein.
Für all diese Vorschläge muss Landesverkehrsminister Beermann seinen Widerstand endlich aufgeben.
4. Ins Rollen kommen - Förderung für Busverkehr nutzen
Das Land stellt den Kreisen jährlich viel mehr Geld für den Busverkehr zu Verfügung. Die Förderung der PlusBusse wird auch mit steigender Linienzahl fortgeführt. Damit sich das Modell auch im ländlichen Raum weiter etabliert, bedarf es einer Flexibilisierung der Richtlinie bspw. mit Blick auf die Taktung in ländlichen Räumen. Darüber hinaus gibt es Fördergelder für die Umstellung der Fahrzeugflotte auf klimafreundliche Antriebe. Erneuerbare Energien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die Landkreise müssen bei der Errichtung einer Ladeinfrastruktur - zum Betanken der Busse mit Wasserstoff oder dem Aufladen batterieelektrischer Fahrzeuge - zügig vorankommen. Nur so gelingt der Umstieg auf klimafreundliche Antriebe. Wir fordern die Kreisebene auf, Förderprogramme zu nutzen und das Angebot - auch mit Blick auf landkreisübergreifenden Busverkehr - auszubauen. Voraussetzung dafür ist eine engere Abstimmung mit den Nachbarlandkreisen. Eine wichtige Grundlage für einen bedarfsgerechten
Busfahrplan sind attraktive Arbeitsbedingungen für Busfahrer*innen.
5. Barrierefreiheit bei Neu- und Umbauten fest verankern
Für eine inklusive Gesellschaft braucht es einen barrierefreien Öffentlichen Verkehr, von dem am Ende alle profitieren. In vielen Gesetzen und Richtlinien ist dieses Ziel auch verankert. Trotz großer Fortschritte ist die Barrierefreiheit aber noch immer nicht bei allen Neu- und Umbauten Standard. So wurde im Bahnhof Werbig zwar ein Schacht für einen Fahrstuhl freigelassen, jedoch kein Fahrstuhl eingebaut, da diese von der Deutschen Bahn erst ab 1.000 Umsteiger*innen gebaut werden. Wir fordern die Deutsche Bahn auf, diese Grenze fallen zu lassen und bei Um- und Neubauten an allen Bahnhöfen, wo dies notwendig ist, einen Fahrstuhl einzubauen. Solange die Deutsche Bahn dies nicht tut oder dies durch die Bundespolitik veranlasst wird, muss das Land einspringen und den Einbau des Fahrstuhls veranlassen und finanzieren.
5. Vom Radweg zum Radnetz - Radverkehr fördern
Für den Radverkehr haben wir gegen den Widerstand unserer Koalitionspartner viel erreicht: In Brandenburg stehen so viele Mittel für den Radverkehr zur Verfügung wie noch nie. Zudem wird eine Änderung des Straßengesetzes im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Mobilitätsgesetz dafür sorgen, dass mehr Radwege unabhängig von Straßen gebaut werden und das Land seine Verantwortung bei der Baulast von Radschnellverbindungen übernehmen wird. Insgesamt wird ein landesweites Radnetz entstehen. Nicht zuletzt ist die Lastenradprämie ein voller Erfolg.
Jeder Kilometer, der mit dem Fahrrad statt mit dem fosslien Verbrenner-Auto zurückgelegt wird, spart rund 140 Gramm CO2. Der Ausbau von Radwegen ist zudem ein wichtiger Aspekt inklusiver Mobilität. Deshalb müssen die bereitgestellten Mittel für den Radverkehr schnellstmöglich tatsächlich in den Bau, die Erweiterung und in die Sanierung von Radwegen investiert werden. Um den Mittelabfluss zu garantieren, muss im Zweifel Personal vom Straßen- zum Radwegebau umgeschichtet werden! Die Radwege-Bedarfsliste muss überarbeitet und dabei das Verlagerungspotential im Vordergrund stehen. Wenn Kommunen in Vorleistung gehen und den Bau und die Planung von Radwegen an übergeordneten Straßen übernehmen wollen, um sie anschließend zu übergeben, dann muss das das Land begrüßen und in der Regel genehmigen.
6. Das Auto vernetzt denken - Ladeinfrastruktur stärken
Es soll überall in Brandenburg möglich sein, ohne ein eigenes Auto ein gutes Leben zu führen. Im ländlichen Raum ist der eigene PKW leider noch unverzichtbar. Wir begrüßen, dass ab 2035 europaweit nur noch Autos neu zugelassen werden, die keine Treibhausgase ausstoßen. Um den Umstieg auf E-Mobilität zu beschleunigen, setzen wir uns in den Kommunen für einen schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur ein. Für Bahnhöfe mit Park-&-Ride-Parkplätzen fordern wir eine Ausstattung mit PKW-Ladesäulen, die den Bedarfen auch in Zukunft gerecht wird.
7. Grenzen überwinden - Verkehrswege zu Nachbarn ausbauen
Brandenburg, mit Berlin in seiner Mitte, ist eng mit Polen verknüpft. Das muss sich auch in den Verkehrsverbindungen widerspiegeln. Die grenzüberschreitenden Strecken Tantow - Szczecin, Küstrin-Kietz - Kostrzyn (-Gorzów), Frankfurt - Rzepin (- Poznań / - Zielona Góra), Gubin (- Zielona Góra), Forst -Tuplice (- Żary) müssen ausgebaut werden und gute Anschlüsse im Taktverkehr bieten. Für die Planungsleistungen der Elektrifizierung und Zweigleisigkeit der alten Ostbahn-Strecke Berlin - Küstrin-Kietz müssen die Länder Berlin und Brandenburg endlich in Vorleistung gehen, um die Verhandlungen mit dem Bund zu beschleunigen. Auch nach der Abschlusskonferenz von RailBLu im April 2023 in Zielona Góra, besteht weiterer Handlungsbedarf. Die Ergebnisse von RailBLu müssen schnell Realität werden und ein weiteres Format gefunden werden, um dauerhaft den grenzüberschreitenen Eisenbahnverkehr zwischen dem Land Brandenburg und der Woiwodschaft Lubuskie/Lebus (und ebenfalls mit der Woiwodschaft
Zachodniopomorskie/Westpommern) zu verstetigen.
8. Nachhaltige Verkehrswende - geht nur feministisch
Wir schließen uns den Forderungen des VCD (Verkehrsclub Deutschland e.V.) für eine geschlechtergerechte Verkehrswende an. Dazu gehört, bei allen Planungen die Barrierefreiheit, die Kombinierbarkeit von Wegen, gute Querverbindungen im ÖPNV, die Bezahlbarkeit und die Erreichbarkeit von Zielen ohne eigenes Auto in den Mittelpunkt der Planungen zu stellen. Kleinteilige Wegeketten, die durch eine komplexe Alltagsorganisation entstehen und Multimodalität müssen zu Planungsleitlinien werden.
Dies kann gelingen, indem eine geschlechterdifferenzierte Datenherhebung und -auswertung gefördert wird. Für eine ganzheitliche Erfassung der Bedarfe im Mobilitätsbereich müssen Beteiligungsprozesse so gestaltet werden, dass die Erfahrungen von Frauen, Kindern, von Rassismus betroffenen sowie älteren Menschen und Menschen mit Behinderung ausreichend repräsentiert und beachtet werden.