Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | 48. Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 29.04.2023 |
Antragshistorie: | Version 1 |
DIGITALPOLITIK IN BRANDENBURG PROGRESSIV GESTALTEN! Digitalisierung für eine zukunftsfeste Verwaltung sowie mehr gesellschaftliche Teilhabe und Gerechtigkeit
Beschlusstext
Wir Bündnisgrüne begreifen die digitale Transformation als große Chance für einen zukunftsfähigen Staat und gesellschaftlichen Fortschritt. Wir setzen uns für eine progressive Digitalpolitik im Land Brandenburg ein. Daher wollen wir, dass sie endlich ernsthafter betrieben wird. Das heißt zum einen, dass das Land die Kommunen dabei besser unterstützt. Zum anderen bedeutet es, dass wir uns als brandenburger Bündnisgrüne für unseren progressiven Ansatz der Digitalpolitik in der Koalition und im Wahlkampf 2024 starkmachen. So machen wir die wachsende Relevanz digitalpolitischer Fragen für einen zukunftsfähigen Staat, für die Wahrung der Bürger*innenrechte und für eine gerechte Gesellschaft deutlich - und setzen uns von anderen brandenburger Parteien ab.
An der Oberfläche operieren reicht nicht mehr aus; wir brauchen ein
strukturelles Update der Digitalpolitik in Land und Kommunen
Wir wollen die enormen Chancen, die Digitalisierung für eine effizientere und bürger*innenorientierte sowie transparente staatliche Daseinsvorsorge und Verwaltung bietet, nutzen. Dazu möchten wir mit die digitalpolitischen Strukturen in Land und Kommunen mit folgenden Maßnahmen weiterentwickeln:
Die Einrichtung eines Ausschusses für Digitales im Landtag, um ein zentrales parlamentarisches Gremium und Impulsgeber zu schaffen; im Digitalausschuss ringen Fachpolitiker*innen um die entscheidenden Weichen des Digitalen Wandels. Digitalpolitik mit seinen Unterthemen darf nicht länger bloß ein Nischenthema sein. Sie muss endlich die ihr, im 21. Jahrhundert zeitgemäße Bedeutung erhalten.
Weiterer Ausbau der technischen IT-Kompetenzen innerhalb der Landesverwaltung durch eine Stärkung des Brandenburgischen IT-Dienstleisters (ZIT-BB). Dieser braucht dirngend eine bessere personelle und technische Ausstattung. Allgemein ist eine Stärkung der Rolle des ZIT- BB in der Digitalpolitik der Landesregierung zu erreichen. Um seine Aufgaben nachhaltig und zuverlässig erfüllen zu können, muss der ZIT-BB in die Lage versetzt werden, konkurrenzfähige Stellenangebote für IT- Expert*innen anzubieten. Nötige Veränderungen für dieses Ziel müssen ohne Scheuklappen geprüft werden. Gleichzeitig muss der ZIT-BB in die Lage versetzt werden, künftig auch bei Planung und Ausschreibung von relevanten IT-Projekten von Beginn an eine stärkere Rolle zu übernehmen, damit die Vorgaben zu Sicherheit und anderen Querschnittzielen auch in der Praxis tatsächlich zur Wirkung kommen.bisher Zudem soll der ZIT-BB ständiger Gast in den Interministeriellen Arbeitsgruppen „Digitalpolitik“ und „Künstliche
Intelligenz“ sein.
Auf der Ebene der Kommunen soll der Zweckverband Digitale Kommunen Brandenburg (DIKOM Brandenburg) gestärkt werden; im DIKOM sollen die Kompetenzen im Bereich Verwaltungsdigitalisierung der Kommunen weiter ausgebaut, gebündelt und den Kommunen als Serviceleistung zur Verfügung gestellt werden. Perspektivisch soll DIKOM BB in die Lage versetzt werden, zentral den IT-Betrieb zu verantworten und die Einhaltung der notwendigen Sicherheitsstandards sicherzustellen.
Die DigitalAgentur Brandenburg (DABB), die die Landesregierung, Kommunen und andere Akteure bei dem Projektmanagement zur Umsetzung digitaler Lösungen der kommunalen Daseinsvorsorge unterstützen soll, soll einen Status als ständiger Gast in den Interministeriellen Arbeitsgruppen „Digitalpolitik“ und „Künstliche Intelligenz“ erhalten.
Der verwaltungsinterne digitalpolitische Kompetenzaufbau muss zudem auf allen Ebenen, das heißt in den Ressorts und den nachgelagerten Bereichen, weiter vorangetrieben werden. Dazu gehören unabdingbare IT-Kompetenzen, einschließlich IT-Sicherheit, Kompetenzen in der IT-Beschaffung, Datenkompetenzen, auch Kompetenzen im Bereich der Organisationsentwicklung, im Projektmanagement und im Bereich der gesellschaftlichen Folgenabschätzung.
Für eine bürger*innenrechtewahrende Verwaltungsdigitalisierung muss die Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg (LDA) in ihrer Kontroll- und Beratungsfunktion deutlich gestärkt werden. Das gilt auch gegenüber dem Land und den Kommunen. Um ihrer Funktion besser bzw. überhaupt nachkommen zu können, muss sie entsprechend besser personell ausgestattet werden.
Open Government – freien Zugang zu Regierungsinformationen gewährleisten
Wir Bündnisgrünen machen uns für eine demokratische, partizipatorische und gemeinwohlorientierte Digitalisierung stark. Für die Digitalisierung der Verwaltung bedeutet das, öffentliche Daten und digitale Dienste für Bürger:innen, Journalist:innen und Forscher:innen umfassend zur Verfügung zu stellen. Deshalb fordern wir:
Offene, dokumentierte Schnittstellen zur Parlamentsdokumentation unter Beachtung etablierter Standards (OParl) unter Koordinierung mit den anderen Bundesländern und dem Bund
Umstellung der Behördenkommunikation auf dieselben Schnittstellen und Datensätze, die als Open Data zur Verfügung stehen
nicht-personenbezogene Daten der Verwaltung sind grundsätzlich nach dem Prinzip open-by-default zu veröffentlichen, solange Geheimhaltungsvorschriften dem nicht entgegenstehen
Einheitliche Kategorisierung von Datensätzen innerhalb der Landesverwaltung, die grundsätzlich zu veröffentlichen sind, um den Grundsatz "open-by-default" praktisch zu erfüllen
Veröffentlichung von Datensätzen unter freizügigen Lizenzen, wie beispielsweise Creative Commons Zero
Bündelung und Weiterentwicklung der bestehenden Informationsgesetze (UIG, IFG, Verbraucherinformationsgesetz) und des geplanten Open Data Gesetzes zu einem umfassenden Transparenzgesetz
Anbindung der Kommunen an Open Data Plattformen der Landesregierung
Erweiterung der Datenadler-Plattform um eine einheitliche, gut dokumentierten Schnittstelle als REST-API, über die bestehende Datensätze miteinander verknüpft zur Verfügung gestellt werden
Gezielte Erprobung einer API-first Strategie für neue oder bestehende digitale Dienste des Landes Brandenburg, wie beispielsweise "Märker" und "Märker Plus" unter Verwendung einfach verwendbarer, gängiger, moderner, maschinenlesbarer und nicht-proprietärer Formate
Open Source Veröffentlichung von mit öffentlichen Mitteln finanzierter Software unter gängigen, freien Lizenzen, beispielsweise MIT-, GPL 3.0- oder Apache 2.0 Lizenz
Verwendung von Open Source Komponenten und Beteiligung Brandenburgs an der Weiterentwicklung und Verbesserung genutzter Open Source Software
Systematische Einbeziehung von Wissenschaft, Wirtschaft und insbesondere auch der organisierten und nicht-organisierten Zivilgesellschaft bei der Weiterentwicklung von Open Data Angeboten und der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben
Partizipative Entwicklung geeigneter Formate zur systematischen Einbeziehung der Wissenschaft, Wirtschaft und organisierte und nicht- organisierte Zivilgesellschaft in die Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben des Landes
Bürger*innenrechte wahren beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der
Landesverwaltung
Wir möchten das Potenzial, das der Einsatz von KI und ADM-Systemen in der
Verwaltung bietet, um Verwaltungshandeln effizienter, serviceorientierter,
evidenzbasierter und inklusiver zu gestalten, bietet nutzen. Wir Bündnisgrüne
setzen uns insbesondere für folgende Maßnahmen zur Sicherstellung eines
Bürger*innenrechte wahrenden Einsatzes von KI und (Teil-)Automatisierten
Entscheidungssystemen in der Landesverwaltung ein:
Die Landesregierung soll dazu verpflichtet werden, die potenziellen Risiken des Einsatzes von ADM-Systemen systematisch im Rahmen einer Einzelfallbewertung zu prüfen, zu bewerten und in einem öffentlich zugänglichen Folgenabschätzungs-bericht transparent zu machen. Berwertungsrahmen sollte der künftige EU AI Acts ergänzt durch wissenschaftliche sowie ethische Begleitung des Themas "Einsatz von ADM-Systemen sein.
Betroffene Personen sollen – etwa auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – mindestens gleichwertige Möglichkeiten zur Anfechtung falscher oder diskriminierender (teil-)automatisierter Entscheidungen haben, wie beim nicht-automatisierte Verwaltungshandeln.
Um eine demokratische Kontrolle von (teil-)automatisierten Verwaltungshandeln zu ermöglichen, soll ein Eintrag in ein landeseigenes bzw. bundesweites öffentliches Register mit allen wichtigen Informationen zu den von Behörden der Landesregierung eingesetzten ADM-Systemen und ihrem Nutzungskontext verpflichtend werden. Das Transparenzregister sollte Auskunft darüber geben, welches Entscheidungsmodell verwendet wird und von wem es entwickelt wurde sowie von welcher Behörde es zu welchem Zweck einsetzt wird. Auch die verpflichtende Folgenabschätzung hinsichtlich grundrechtlich schützenswerter Güter und ökologischer Kriterien sollte in Form eines Folgenabschätzungsberichts in diesem öffentlichen Register verfügbar sein.
ADM-Systeme sollen in der Landesverwaltung nur unter menschlicher Aufsicht und unter Nennung einer verantwortlichen Person innerhalb der Behörde verwendet werden. Es muss möglich sein, dass Verwaltungsentscheidungen, die auf dem Einsatz von ADM-Systemen beruhen oder durch diese vorbereitet wurden durch die verantwortliche Person der Behörde abgeändert werden können.
Die Richtigkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit von ADM-Systemen muss engmaschig und regelmäßig nach gängigen organisatorischen,technologischen und ethischen Standards überprüft werden. Verletzungen der Qualitätsstandards erfordern eine sofortige Weiterentwicklung des betroffenen ADM-Systems bis hin zur auch zeitweisen Aussetzung der Nutzung, bis die Qualitätsstandards wieder erfüllt sind.
Digitalpolitik als Gesellschaftspolitik denken und gestalten
Die Digitalisierung hat mittlerweile starke Auswirkungen auf viele Aspekte unseres Alltags – beispielsweise Lernen, Informieren, Kommunizieren und Arbeiten. Digitale Teilhabe und Chancengleichheit sind damit zunehmend Voraussetzung aber auch Chance für gesellschaftliche Mitwirkung und zugleich für eine gerechte Gesellschaft.
Hierfür ist es allerdings erforderlich, dass allen Menschen der gleiche Zugang zu einer und ein Zurechtfinden in einer sich immer weitere digitalisierenden Welt ermöglicht wird. Die Digitalisierung muss daher aktiv gestaltet werden, sodass alle Menschen gleichermaßen von ihren Vorteilen profitieren können. Dazu fordern wir:
Existierende umfassende Standards und Richtlinien, wie die "Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)", und EU-Richtlinie, Bundesverordnung und Landesverordnung zur Barrierefreiheit im digitalen Raum müssen im Land Brandenburg konsequent umgesetzt werden.
Besonders Mädchen und Frauen müssen vor An- und Übergriffen im digitalen Raum geschützt werden.
Mobile Arbeit ist eine Chance für mehr berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern, da durch mehr Flexibilität die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert wird. Mobile Arbeit muss aus diesem Grund weiter ausgebaut und besonders gefördert werden.
Die Förderung von Mädchen und jungen Frauen zum Erwerb von sogenannten "MINT"-Berufen muss intensiviert und stereotyper Bildung und Erziehung in Kita und Schule muss entgegengetreten werden.
Gründungen von Frauen in der Digitalbranche müssen besonders gefördert werden, um strukturelle Benachteiligungen auszugleichen.
Niedrigschwellige Angebote zur digitalen Bildung im Bereich Lebenslanges Lernen und im Bereich der beruflichen Weiterbildung müssen ausgebaut werden; insbesondere solche, die auf Frauen ausgerichtet sind.
Kinder und Jugendliche aus ressourcenarmen Familien sollen wir in ihren digitalen Kompetenzen in und außerhalb der Schulen besonders fördern, um ihre Nachteile möglichst auszugleichen.
Alle junge Menschen müssen in Schule bzw. Ausbildung und abseits formaler Bildungs- und Ausbildungsstätten ausreichenden Zugang zu digitalen Endgeräten, niedrigschwelligen Internetzugang und ausreichendem Datenvolumen haben, um nach eigenen Wünschen und Interessen zu lernen, sich zu beteiligen, sich zu vernetzen und zu spielen.
Digitale Ausstattung für junge Menschen inner- und außerhalb von Schule muss besonders gefördert bzw. die Entwicklung kostengünstiger Lösungen unterstützt werden. Digitale Angebote müssen medienpädagogisch begleitet werden.
Digitale Bildung und Qualifizierung von Schüler:innen ist besonders wichtig, um Ihnen eine freie Berufswahl zu ermöglichen. Besonders im Hinblick auf den zu geringen Frauenanteil in MINT-Berufen ist dies zentral. Hierdurch kann dem bestehenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Angebote wie die "Internetwache Brandenburg" müssen für junge Menschen bekannt und nutzbar sein und Angebote wie HateAid auf Landesebene gefördert werden und insbesondere jungen Menschen bekannt gemacht werden.
Zugänge müssen insoweit gleichberechtigt möglich sein, insbesondere gilt dies beim Zugang zu Verwaltungsdienstleitungen. Genauso wie es ein Recht auf digitalen Zugang geben sollte, darf das Recht auf analogen Zugang nicht aufgegeben werden.