Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | 48. Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 29.04.2023 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Demokratie, Freiheit und Vielfalt in Brandenburg durch einen gestärkten und zukunftsfähigen rbb
Beschlusstext
Wie gehen wir die Missstände beim rbb an, welche Reformen braucht es, um den rbb zukunftsfähig zu machen und wie gehen wir diese an? Das alles sind ebenso wichtige wie drängende Fragen und der rbb kommt einfach nicht aus den Schlagzeilen. Dabei ist eine gestärkte Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg die Garantin für Demokratie, Freiheit und Vielfalt in unserer Region. Genau deshalb müssen wir als Bündisgrüne eine überzeugende Position für einen zukunftsfesten rbb entwickeln. Das wollen wir mit diesem Antrag anstoßen.
Grundsätzlich gilt: Die breit gefächerten Perspektiven, die öffentlich-rechtliche Medien basierend auf dem Vielfalts- und journalistischen Sorgfaltsgebot vermitteln, sind ein wesentlicher Teil der Meinungsvielfalt und damit des demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Bei uns in Brandenburg stehen viele Menschen aktuell vor einer großen Transformation ihrer Lebenswelt, daher brauchen wir den Rundfunk als verlässliche Stütze unserer demokratischen Grundordnung mehr denn je und müssen verlorenes Vertrauen in ihn wiederherstellen.
Den auf Verweildauer, Generierung von Aufmerksamkeit und letztendlich Verwertung optimierten Algorithmen der sozialen Netzwerke muss die unabhängige,journalistische Berichterstattung und vorurteilsfreie Unterhaltung der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüberstehen. Das verringert die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung von Hetze, Hassrede und Verschwörungserzählungen. Der Öffentlich Rechtliche Rundfunk stützt damit unsere Demokratie.
Die aktuelle Krise rund um die Patronagewirtschaft und Selbstbedienungsmentalität in den Führungsetagen des rbb hat viele Missstände in der Organisation und Struktur des rbb aufgezeigt. Das erfordert eine breite öffentliche Debatte über Veränderungen , die in Zukunft auch die Anerkennung der Arbeit des Programmschaffenden sicherstellt. Dabei dürfen wir vor neuen Ideen nicht zurückschrecken. Deshalb fordern wir:
Brandenburg und Berlin müssen zusammenhalten und an dem gemeinsamen Rundfunk
festhalten
Eine Stärkung Brandenburgs innerhalb des rbb erachten wir als die beste Struktur für eine regionale Berichterstattung über und für Brandenburg! Brandenburg und Berlin bilden eine gemeinsame Region mit vielfältigen Verbindungen. Nur durch einen gemeinsamen Rundfunk erhalten Bürger*innen in Brandenburg und Berlin einen umfassenden Überblick über das regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen. Ein gemeinsamer Rundfunk für Berlin und Brandenburg trägt zur regionalen Identitätsstiftung bei. Das stärkt zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Region und hilft dieser so langfristig. Für uns steht deshalb fest, dass es nur einen gemeinsamen Rundfunk für Berlin und Brandenburg geben kann. Die Berichterstattung aus Berlin und Brandenburg gehört zusammen
Mehr dezentrale Berichterstattung über, für und aus Brandenburg
Wir setzen uns dafür ein, dass der rbb sich künftig stärker auf die regionale Berichterstattung konzentriert und der Brandenburgische Blick innerhalb des rbb gestärkt wird. Dabei ist uns besonders wichtig, dass die Berichterstattung für und über Brandenburg auch aus Brandenburg kommt und nicht aus der Bundeshauptstadt!
Wir wollen deshalb, dass mehr regionale Programminhalte für Online, TV und Hörfunk aus Potsdam, den Regionalstudios in Cottbus und Frankfurt (Oder) und den Regionalbüros in Prenzlau und Perleberg produziert werden. Dazu müssen die bestehenden Regionalstudios und -büros personell und technisch angemessen ausgestattet sein. Zudem braucht es im Flächenland Brandenburg insgesamt noch mehr Regionalbüros und gut ausgestattete Regionalreporter*innen, die zum Geschehen vor Ort berichten und so eine dezentrale Berichterstattung aus allen Landesteilen liefern.
Ein rbb für alle: Neues Nutzungsverhalten braucht neues Angebot
Während viele Brandenburger*innen weiterhin das lineare Medienangebot im Fernsehen und Radio nutzen, gibt es besonders bei den jüngeren Zielgruppen zunehmend einen gegenläufigen Trend: Jüngere Zielgruppen nutzen vermehrt entlinearisierte Angebote der digitalisierten Welt der Mediatheken, Streamingangebote, Plattformen und Netzwerke.
Das Angebot des rbb muss deshalb zunehmend mit Blick auf digitale Verbreitungswege und digitale Darstellungsformen und nichtlineare Nutzung klassischer Formate entwickelt werden – und zwar nicht nur hinsichtlich der Verbreitung über Drittplattformen, sondern auch über eine eigene gemeinsame öffentlich-rechtliche Plattform, die für Qualität und seriöse Quellen steht und bei der die Algorithmen nicht schnell zum nächsten Verschwörungsvideo führen. Dazu müssen auch mehr non-lineare Angebote, die nur digital produziert werden, erlaubt und angemessen vergütet werden. Hierfür müssen die entsprechenden finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden.
Zudem setzen wir Bündnisgrüne uns dafür ein, dass bei der technischen Infrastruktur einer gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Plattform möglichst auf freie Software sowie offene Standards und Protokolle gesetzt wird. Nur so kann eine Verschränkung eines regional verankerten rbb mit anderen öffentlich-rechtlichen Medien in Europa und mit von jüngeren Zielgruppen stark genutzten globalen privaten Plattformen ermöglicht werden.
Experimentierräume für mehr Dialog und eine stärkere Einbindung der Gesellschaft
Die Mitglieder des Rundfunkrats sollen für die vielfältige Gesellschaft Brandenburgs stehen und die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen repräsentieren. Dazu muss der Rundfrunkrat künftig diverser besetzt werden. Für uns Bündnisgrüne steht fest: In einer zunehmend diverser werdenden Gesellschaft braucht es zur Verwirklichung des Auftrags des Rundfunkrats, die Gesellschaft als Ganzes zu repräsentieren, zusätzlich neue Formate der Beteiligung und des gesellschaftlichen Dialogs!
Für uns steht hierbei die stärkere Nutzung digitaler Beteiligungs- und Dialogmöglichkeiten an erster Stelle. Um die gesellschaftliche Rückkoppelung des ÖRR zu stärken, soll das Publikum nicht nur wie aktuell auf privaten Plattformen mit öffentlich-rechtlichen Inhalten interagieren können, sondern auch in den eigenen Mediatheken bzw. auf der künftigen gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Plattform. Zudem soll erprobt werden, wie nutzergenerierte Inhalte von Drittplattformen nach den gängigen Qualitätskriterien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kuratiert und in die eigenen Plattformangebote integriert werden können.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass gut ausgestattete Räume, in denen diese
neuen digitalen Möglichkeiten ausprobiert werden kann, geschaffen werden.
Neben der stärkeren Nutzung interaktiver digitaler Beteiligungs- und Dialogmöglichkeiten, könnten auch ergänzende Gremien, bspw. ein den Zukunftsrat ergänzender Publikumsrat, einen Beitrag für eine stärkere Einbindung einer diversen Gesellschaft in die Programmgestaltung leisten. Wir sind jedoch überzeugt, dass es aktuell für die institutionelle Umsetzung eines Publikumsrats keine Blaupause gibt und eine gereifte wissenschaftliche Auseinandersetzung auf Basis empirischer Erfahrungswerte noch aussteht.
Deshalb setzen wir Bündnisgrüne uns dafür ein, dass neue Dialog- und Beteiligungsformate, wie ein Publikumsrat, zunächst als ein Pilotvorhaben angegangen werden, das schon von der frühen Konzeptionsphase an wissenschaftlich begleitet wird. Nur so kann die Wahrung der Grundsätze demokratischer Beteiligung und eine Evaluation nach wissenschaftlichen Maßstäben gewährleistet werden.
Inhaltliche und organisatorische Unabhängigkeit der Gremien
Rundfunk- und Verwaltungsrat müssen ihr Gremienbüro unabhängig von der Intendanz betreiben. Das beinhaltet auch ein eigenes Budget für persönliche Fortbildungen und Konsultation externen Sachverstands, finanziert aus den Rundfunkgebühren. Da wir die Mitglieder der Gremien als Repräsentanten der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler verstehen, sollte die Arbeit der Gremien ebenfalls direkt aus den Gebühren finanziert werden. Staatliche oder wirtschaftliche Einflussname müssen ausgeschlossen bleiben.
Gremienmitglieder durch Kompetenzaufbau und Vernetzung unterstützen
Um den Gremien niedrigschwellige Weiterbildungsmöglichkeiten und professionelle Betreuung zu ermöglichen, setzen wir uns für die Schaffung einer regionalen Stelle ein, die den Gremien das für ihre Arbeit benötigte Wissen zur Verfügung stellt und anlassbezogen als Ansprechpartnerin fungiert. Dadurch soll ein kontinuierlicher Kompetenzaufbau ermöglicht werden. Eine derartige Kompetenzstelle sollte auch die länderübergreifende Vernetzung der Gremienmitglieder untereinander unterstützen und somit „Lernen in Netzwerken“ ermöglichen.
Ähnlich wie im Verwaltungsrat des Deutschlandradios wollen wir auch den rbb- Verwaltungsrat mit zusätzlichen Plätzen für Sachverständige als dauerhafte Mitglieder ausstatten, um eine wirksame Kontrolle, Beratung und Unterstützung in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen zu gewährleisten.
Aus dem unabhängigen Budget der Gremien sollen außerdem regelmäßige Fortbildungen für Gremienmitglieder oder wissenschaftliche bzw. wirtschaftliche oder organisatorische Beratung finanziert werden können.
Entscheidungsfindung und Entscheidungen transparent machen
Als entscheidend für einen zukunftsfähigen rbb sehen wir eine erhöhte Transparenz und Rechenschaftspflicht der Gremien an. Wir möchten uns dafür einsetzen, dass weitere Transparenzpflichten zu Entscheidungen bezüglich Haushalts- und Vergütungsfragen, Investitionsentscheidungen und Fragen der strategischen Weiterentwicklung in die Rechtsgrundlagen des rbb aufgenommen werden. Zudem wollen wir, dass eine online einsehbare, nutzer*innenzentrierte Datenbank, aufgebaut wird, in der die veröffentlichten Informationen zu Entscheidungen der Gremien nachlesbar werden.
Eigene Projekt- und Strategiekompetenz der Gremien
Die Gremien sind die Hüterinnen des Auftrags des rbb. Sie sollen mittelfristig befähigt werden, eigene Projekte oder auch Strategieentwicklungen im rbb platzieren zu können. Das genaue Vorgehen – auch, wenn es zu Unstimmigkeiten zwischen Sendergremien und Aufsichtsgremien kommt – soll in den nächsten Monaten von rbb und Gremien unter Beratung von Medien- und Verfassungsrechtlern entwickelt werden.
Dabei sollen die Gremien vor allem die auftragsbezogene inhaltliche, organisatorische oder auch technische kontinuierliche Weiterentwicklung des rbb ermöglichen und beschleunigen.
Öffentlicher Wert der Arbeit steht im Mittelpunkt
Alle Aktivitäten des rbb sollen künftig am Wert für die Gesellschaft (public
value scoring) transparent bewertet werden. Dazu zählt ausdrücklich auch die
Entwicklung neuer, innovativer Darstellungs- und Produktionsformen, die der digitalen Medienrealität gerecht werden.
Klassische Einschaltquoten und Klickzahlen dürfen in der Bewertung des Public Value nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Die genaue Ausgestaltung des Bewertungssystems soll vom rbb sowie von Rundfunk- und Verwaltungsrat mit breiter wissenschaftlicher Begleitung und öffentlicher Beteiligung entwickelt werden.
Ein zukunftsfähiger rbb braucht bessere Strukturen für die Beschäftigten
Die festen freien Mitarbeiter*innen beim rbb müssen schnellstmöglich bessergestellt werden. Wir unterstützen daher die Forderung einer Freienvertretung im Personalrat.
Zudem muss das Personal des rbb insgesamt stärker in den Gremien einbezogen werden - insbesondere sollten Vertretungen des Personals mit einem Rederecht im Rundfunkrat ausgestattet werden.
Die Planbarkeit für die festen Freien muss verbessert werden – dazu muss der Anteil der festen Freien ohne feste Abnahmevereinbarungen deutlich verringert werden. Insbesondere die Regionalreporter*innen in den Regionalstudios müssen mit Aufträgen so gut ausgestattet sein, so dass sie von Ihrer Arbeit auch wirklich leben können.
Wir begrüßen die deutliche Begrenzung der im ARD-Vergleich überdurchschnittlich hohe Anzahl an außertariflich Beschäftigten. Die Tarifstrukturen beim rbb müssen allerdings auch konsequent eingehalten werden!
Nachwuchsförderung beim rbb
Der Nachwuchs des rbb muss weiterhin auch in Brandenburg ausgebildet werden. Es müssen gute Perspekiiven für den Nachwuchs beim rbb vorhanden sein, um so den Nachwuchs auch stärker an das Land zu binden. Die vorgesehenen Kürzungen um die Hälfte der Plätze für Volontär*innen als Teil der Sparmaßnahmen an der Electronic Media School (EMS) in Babelsberg lehnen wir ab, weil wir sie als kontraproduktiv für die Zukunft des rbb erachten. Die Forderung nach einer eigenständigen Volontär*innenausbildung unterstützen wir.
Vergütung der Leitungsebene
Um die Aufgaben der Leitungsebene im rbb gut bewältigen zu können, braucht es Personen, die vielfältige Qualifikationen und berufliche Erfahrungen vereinen. Zur Gewinnung von Leitungspersonal, das für die vielfältigen Transformationsherausforderungen gut qualifiziert ist, können AT-Verträge ein geeignetes Instrument sein.
Wir fordern jedoch, dass die AT-Verträge im rbb offengelegt werden, wie es in anderen Anstalten bereits der Fall ist, und dass sich ihre maximale Höhe an vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Positionen, z.B. an der Position "Ministerpräsident*in", orientiert.