Antragsteller*in: | LAG Digitales und Medien (dort beschlossen am: 08.10.2022) |
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24. V23: Vertrauen stärken: Die strukturelle Weiterentwicklung des rbb
Antragstext
Gerade bei uns in Brandenburg, in einem Bundesland, in dem viele Menschen erneut vor einer großen Transformation ihrer Lebenswelt stehen, sind die breit gefächerten Perspektiven, die öffentlich-rechtliche Medien basierend auf dem Vielfalts- und journalistischen Sorgfaltsgebot vermitteln, ein wesentlicher Teil der Meinungsvielfalt und damit des demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Die Unabhängigkeit von wirtschaftlicher oder staatlicher Einflussnahme sind zentrale Werte des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Umso schwerer wiegt der aktuelle Finanzskandal des RBB. Während die nichtdemokratischen Kräfte in der politischen Landschaft die durch die ehemalige RBB Intendanz selbstverschuldete Krise als einen willkommenen Anlass für einen rechtspopulistischen Angriff auf den ÖRR nutzen, setzen wir Bündnisgrüne uns für die Erneuerung und Stärkung des ÖRR als zentrale Säule der freien Meinungsbildung und damit Grundpfeiler des demokratischen Diskurses ein.
Der verursachte Vertrauensverlust in den RBB als Institution lässt sich nur durch eine strukturelle Erneuerung des RBB heilen. Wie unter dem Brennglas lässt der aktuelle Skandal einen tieferliegenden Reformbedarf erkennen, der nach zwei Maßgaben verlangt: Erstens soll bei einer Reform des RBB nicht das Versagen der persönlichen Integrität der Intendanz im Vordergrund stehen, sondern die strukturellen Ursachen dafür, dass dieses über lange Zeit unentdeckt blieb. Zweitens aber sollen – unabhängig vom aktuellen Skandal – die aktuellen Transformationsherausforderungen des ÖRR in der digitalen Gesellschaft, in der sich auch die demokratische Rückbindung öffentlich-rechtlicher Medien neu stellt, leitende Maxime für die Reform des RBB sein.
Die Mitglieder des Rundfunkrat sollen für die vielfältige Gesellschaft Brandenburgs stehen, die repräsentativ für diese plurale Gesellschaft ihre Stimme im rbb erheben können. Sie sind dabei keine Interessensvertreter*innen, sondern stehen für die Allgemeinheit aller Bürgerinnen und Bürger. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, soll die Position der Gremien innerhalb des des rbb selbst, sowie ihre Rückkoppelung an die Öffentlichkeit gestärkt werden.
Wir schlagen deshalb folgende Weiterentwicklungen des rbb vor:
A) Inhaltliche und organisatorische Unabhängigkeit der Gremien
Rundfunk- und Verwaltungsrat sollten ihr Gremienbüro unabhängig von der Intendanz betreiben. Das beinhaltet auch ein eigenes Budget für persönliche Fortbildungen und Konsultation externen Sachverstands, finanziert aus den Rundfunkgebühren. Da wir die Mitglieder der Gremien als Repräsentanten der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler verstehen, sollte die Arbeit der Gremien ebenfalls direkt aus den Gebühren finanziert werden. Staatliche oder wirtschaftliche Einflussname müssen ausgeschlossen bleiben.
B) Gremienmitglieder durchKompetenzaufbau und Vernetzung unterstützen
Um den Gremien niedrigschwellige Weiterbildungsmöglichkeiten und professionelle Betreuung zu ermöglichen, setzen wir uns für die Schaffung einer regionalen Stelle ein, die den Gremien das für ihre Arbeit benötigte Wissen zur Verfügung stellt und anlassbezogen als Ansprechpartnerin fungiert. Dadurch soll ein kontinuierlicher Kompetenzaufbau ermöglicht werden. Eine derartige Kompetenzstelle sollte auch die länderübergreifende Vernetzung der Gremienmitglieder untereinander unterstützen und somit „Lernen in Netzwerken“ ermöglichen.
Ähnlich wie im Verwaltungsrat des Deutschlandradios wollen wir auch den rbb-Verwaltungsrat mit zusätzlichen Plätzen für Sachverständige als dauerhafte Mitglieder ausstatten, um eine wirksame Kontrolle, Beratung und Unterstützung in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen zu gewährleisten.
Aus dem unabhängigen Budget der Gremien sollen außerdem regelmäßige Fortbildungen für Gremienmitglieder oder wissenschaftliche bzw. wirtschaftliche oder organisatorische Beratung finanziert werden können.
C) Entscheidungsfindung und Entscheidungen transparent machen
Als entscheidend für eine Einhegung des Kompetenzungleichgewichts zwischen Gremien und Intendanz und für die strukturelle Stärkung der Gremien in medienpolitischen und -rechtlichen Fachfragen sehen sehen wir jedoch eine erhöhte Transparenz der Entscheidungen der Gremien an. Nur wenn die Gremien deutlich transparenter als bisher arbeiten, können strategische Fragen des RBB von Expert*innen öffentlich bewertet werden – und die Gremien des RBB auf der Basis der Sichtung eines breiten Spektrums Expert*innenmeinungen zu gereiften, gut begründeten, eigenen Entscheidungen kommen.
In die Rechtsgrundlagen des rbb sollten entsprechend weitere Transparenzpflichten zu Entscheidungen bezüglich Haushalts- und Vergütungsfragen, Investitionsentscheidungen und Fragen der strategischen Weiterentwicklung aufgenommen werden; Vertraulichkeitsregelungen, sofern sie einer derartigen Transparenz entgegenstehen, geändert werden.
So wollen wir eine rechtliche Grundlage geschaffen, die sicherstellt, dass neben den Protokollen die Beschlussvorlagen, Berichte und sonstige vorgelegte Dokumente für die öffentlichen Sitzungen des RBB Rundfunkrats zumindest zeitnah im Nachgang der Entscheidungsfindung online öffentlich zugänglich gemacht werden. Zudem sollen die öffentlichen Sitzungen des Rundfunkrates per livestream übertragen werden. Auch die Arbeit des Verwaltungsrats soll transparent gemacht werden – im Zuge der Anpassung der Rechtsgrundlagen des RBB soll geprüft werden, inwiefern Veröffentlichungspflichten und Pflichten zum öffentlichen Tagen des Gremiums aufgenommen werden können.
Eine derartig erweiterte Transparenz erhöht gleichsam die Rechenschaftspflicht des rbb gegenüber den Bürger*innen, die jederzeit nachvollziehen können sollen, auf welcher Wissensbasis und mit welchen Gründen die Gremien Entscheidungen treffen und wie das Abstimmungsverhalten der Gremienmitglieder ist. Dazu sollte eine online einsehbare, nutzer*innenzentrierte Datenbank, aufgebaut werden, in der Entscheidungen nachlesbar werden. Das betrifft im Besonderen grundlegende strategische Entscheidungen und auch die Bearbeitungen von Programmbeschwerden, die an den Rundfunkrat gerichtet wurden.
Diese erweiterte Transparenz setzt voraus, dass der rbb die Entscheidungsvorlagen entsprechend so vorbereitet, das eine fachliche Diskussion in den Gremien möglich ist. Die genaue Form sollen rbb und Gremien gemeinsam entwickeln und ständig weiterentwickeln.
D) Eigene Projekt- und Strategiekompetenz der Gremien
Die Gremien sind die Hüterinnen des Auftrags des rbb. Sie sollen mittelfristig befähigt werden, eigene Projekte oder auch Strategieentwicklungen im rbb platzieren zu können. Das genaue Vorgehen – auch, wenn es zu Unstimmigkeiten zwischen Sendergremien und Aufsichtsgremien kommt – soll in den nächsten Monaten von rbb und Gremien unter Beratung von Medien- und Verfassungsrechtlern entwickelt werden.
Dabei sollen die Gremien vor allem die auftragsbezogene inhaltliche, organisatorische oder auch technische kontinuierliche Weiterentwicklung des rbb ermöglichen und beschleunigen.
E) Öffentlicher Wert der Arbeit steht im Mittelpunkt
Alle Aktivitäten des rbb sollen künftig am Wert für die Gesellschaft (public value scoring) transparent bewertet werden. Dazu zählt ausdrücklich auch die Entwicklung neuer, innovativer Darstellungs- und Produktionsformen, die der digitalen Medienrealität gerecht werden.
Klassische Einschaltquoten und Klickzahlen dürfen in der Bewertung des Public Value nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Die genaue Ausgestaltung des Bewertungssystems soll vom rbb sowie von Rundfunk- und Verwaltungsrat mit breiter wissenschaftlicher Begleitung entwickelt werden.
Begründung
Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist ein kaum zu unterschätzender Wert in der Demokratie. Allerdings nur, wenn die Programme glaubwürdig und vetrauensstiftend wahrgenommen werden - und sie auch künftig unabhängig von Einflüssen aus Staat und Wirtschaft ihrem Auftrag nachgehen können.
Skandale, wie die in der Führung des rbb, untergraben das Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern. Aus Sicht der LAG Digitales und Medien ist es dehalb notwendig, das Ziel von B90/Die Grünen "Stärkung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks" auch mit konkreten politischen Forderungen zu verbinden.
Wir wollen die Position der Aufsichtsgremien Rundfunk- und Verwaltungsrat im rbb gegenüber der Anstaltsleitung deutlich stärken. Dazu sollten diejenigen, die kontrollieren, endlich unabhängig von denen arbeiten können, die kontrolliert werden sollen. Das bedeutet: eigenes Budget für die Aufsichtsgremien, das auch die Zuhilfename von externer Expertise oder auch die Weiterbildung der Mitglieder der Aufsichtsgremien erlaubt.
Erweiterte Transparenzpflichten für Anstaltsleitung und Kontrollgremien werden den gesellschaftlichen Diskurs über den strategischen Weg des rbb stärken und eine öffentliche Bewertung auf Basis eines breiten Spektrums an Expert*innenmeinungen ermöglichen.
Die Arbeit des rbb soll an ihrem Wert für die Gesellschaft in Brandenburg und Berlin gemessen werden ("public value score"), und nicht mehr ausschließlich an Quoten, wie es gelebte Realität in weiten Teilen des Programms des rbb ist.
Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschränkt sich nicht auf journalistsche Formate in linearer Ausstrahlung. Alle Formate - auch die der Fiktion - müssen dem Auftrag gerecht werden. Das gilt besonders im digitalen Raum. Die Programmgestaltenden müssen die Freiheit haben, für digitale Rezeption neue Darstellungsformen ausprobieren und weiterentwicklen zu können. So können die Inhalte auch künftig für die Menschen in Brandenburg relevant bleiben.
Wir verstehen unseren Antrag als ersten Schritt zur Stärkung des Vertrauens in den rbb. Wir wollen im Kontext des Medienstaatsvertrages im Laufe der kommenden Monate weitere konkrete Schritte zur Vertrauensbildung und Weiterentwicklungsfähigkeit des rbb erarbeiten.