Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | 45. Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 20.11.2021 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Pflege vor Ort stärken
Beschlusstext
In Brandenburg leben aktuell über 150.000 pflegebedürftige Menschen, das entspricht knapp über 6% der Bevölkerung in Brandenburg, Tendenz steigend. Schon daraus wird klar: Pflege ist ein Thema für die ganze Gesellschaft.
Der Wunsch, möglichst lange zu Hause in den eigenen vier Wänden gepflegt zu werden, ist verständlicherweise groß. Dementsprechend nimmt die häusliche Pflege in Brandenburg mit über 80% einen hohen Stellenwert ein. Unser Ziel ist, Menschen mit Pflegebedarf möglichst lange ein selbstbestimmtes und aktives Leben mit Sozialkontakten zu ermöglichen.
Es ist daher gut und wichtig, dass die Landesregierung Brandenburg und allen voran die Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher das Thema aufgegriffen und mit dem „Pakt für Pflege“ die Unterstützung der häuslichen Pflege in den Mittelpunkt der Pflegepolitik des Landes Brandenburg stellt.
Die Herausforderungen sind enorm. Im Jahr 2030 wird jede 3. Person in Brandenburg älter als 65 Jahre alt sein. Zugleich nimmt der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter ab und es bedarf ganz erheblicher Anstrengungen, angesichts der großen Konkurrenz mit den anderen Beschäftigungssektoren wie Handwerk, Verwaltung, Industrie, Dienstleistungen eine ausreichende Anzahl für die Pflege zu gewinnen und in der Pflege zu halten. Mit diesem Pakt wird die häusliche Pflege nachhaltig gestärkt, Pflegebedürftige und pflegende Angehörigen insbesondere im ländlichen Raum entlastet, Beratungsangebote ausgebaut und wichtige Impulse zur Fachkräftesicherung in der Pflege durch attraktive Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen gesetzt.
Der Bedarf an Pflegekräften ist nicht unveränderbar. Er ergibt sich aus der Anzahl zu pflegender Menschen und dem Umfang, in dem diese professionelle Hilfe benötigen. Entscheidende Stellschrauben sind daher die Verzögerung, Verringerung oder gar Verhinderung des Eintritts von Pflegebedürftigkeit und die Stärkung der häuslichen Pflege –nicht nur, weil sie dem Wunsch der Menschen nach Selbstbestimmtheit entspricht, sondern auch, weil hier deutlich weniger Pflegekräfte benötigt werden. Während bei der stationären Pflege kaum Möglichkeiten der Selbstsorge und Hilfe durch Angehörige verbleiben, stehen sie in der ambulanten Pflege im Mittelpunkt; professionelle Hilfe kommt nur punktuell hinzu.
Eine Pflegepolitik, die Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreift braucht einen Sozialraum, in dem pflegebedürftige Menschen und ihre An- und Zugehörigen als Teil der örtlichen Gemeinschaft begriffen werden. Gerade Pflege vor Ort lebt vom Engagement in den Kommunen, in denen konkrete Projekte umgesetzt werden. Mit dem Herzstück des Pakts für Pflege der „Förderrichtlinie Pflege vor Ort“ steht den Kommunen Geld zur Verfügung, um die Pflege vor Ort zu stärken. Dieses Geld gilt es jetzt in den Kommunen abzurufen und für Projekte einzusetzen, die langfristig die Pflege vor Ort stärken und Angehörige entlasten. Gefordert sind Kommunalverwaltungen, Kommunalparlamente, aber auch die örtlichen Vereine, Verbände und Initiativen. Mit der Fachstelle für Altern und Pflege im Quartier (FAPiQ) und dem Kompetenzzentrum Demenz steht unabhängige Beratung und Unterstützung bei Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen für alle Akteurinnen und Akteure zur Verfügung.
Der Pakt für Pflege ist mit seiner Orientierung auf die Verbesserung der sozialräumlichen Rahmenbedingungen häuslicher Pflege in den Städten und Gemeinden auch der gesellschaftspolitisch richtige Ansatz.
Für die Akteurinnen und Akteure vor Ort stellt seine Umsetzung eine Herausforderung dar. Es gilt, 25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung das Bewusstsein einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Pflege wieder aufzubauen. Die Lebenslage pflegebedürftiger Menschen und ihrer An- und Zugehörigen ist ein kommunalpolitisches Thema!
Aus diesem Grunde sehen die Förderrichtlinien des Landes auch keine detaillierte bürokratische Abrechnung der Fördermittel gegenüber dem Land, sondern eine politische Berichterstattung der Kommunen über die Verwendung der Mittel an das jeweilige Kommunalparlament vor.
Die kommunale Mitverantwortung für die Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzunehmen und produktiv auszugestalten, ist eine große und langfristige Aufgabe. Es ist gewissermaßen ein Ansatz von Graswurzelpolitik, der wirkungsmächtig ist, aber erst nach und nach Erfolge zeigen wird.
Zur Nachhaltigkeit dieses Ansatzes ist es wichtig, dass die Unterstützung der sozialräumlichen Rahmenbedingungen von Pflege durch das Land verlässlich erfolgt. Langfristig muss daher diese Förderung als gesetzliche Leistung des Landes im Landespflegegesetz verankert werden.
1. Handlungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden
Kommunale Pflegebeauftragte schaffen
In vielen Städten und Gemeinden engagieren sich eine Vielzahl von Ehrenamtlichen für das Thema Pflege. Diesem Engagement gilt unsere volle Unterstützung und Wertschätzung. Aber Ehrenamt braucht eine hauptamtliche Basis. Sie ist notwendig, um bestehende Pflegeprojekte zu koordinieren, neue aufzubauen, Synergien zu nutzen, Ehrenamtliche zu begleiten und zu entlasten. Daher braucht es je nach Größe der Städte und Gemeinden klare Verantwortlichkeiten und zusätzliche Zeitbudgets in den Verwaltungen. D.h. für kleinere Städte und Gemeinden die Aufstockung von Stunden bei bestehenden Mitarbeiter*innen und in größeren Städten die Schaffung von neuen, eigenen Stellen. Diese stellen sollen als „kommunale Pflegebeauftragte“ klare Ansprechpersonen sein, Pflege vor Ort koordinieren, den Ehrenamtlichen zur Seite stehen und neue Projekte aufbauen
Bestandsanalysen in den Kommunen durchführen
Die Situation ist in jeder Stadt und Gemeinde unterschiedlich. Angefangen von Mobilitätsangeboten bis hin zu bereits bestehenden Beratungsangeboten, Versorgungseinrichtungen, Ehrenamtliche Netzwerke, etc. Um die Pflege vor Ort weiterzuentwickeln ist es daher essentiell, im ersten Schritt eine Bestandsanalyse durchzuführen, um eine Grundlage für weitere Handlungsfelder zu haben. Auch diese Bestandsanalysen können über die Förderrichtlinie „Pflege vor Ort“ des Pakts für Pflege gefördert werden und Kommunen sollten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Eine weitere Hilfestellung bieten die Pflegedossiers, die von FAPIQ bereitgestellt werden. Wichtig dabei ist, dass neben der Wissenschaft und Expert*innen vor allem auch Betroffene, Angehörige, Wohlfahrtsverbände, Senior*innenbeiräte und Bürger*innen mit einbezogen und beteiligt werden.
Soziale Teilhabe ermöglichen
Wir Menschen sind soziale Wesen und soziale Kontakte entsprechend wichtig. Einsamkeit und Passivität sind große Risikofaktoren für das (verfrühte) Entstehen von Pflegebedürftigkeit und dafür, sie nicht gut zu bewältigen!
Eins der obersten Ziele beim Thema Pflege muss es daher sein, ältere Menschen und Menschen mit Pflegebedarf soziale Teilhabe zu ermöglichen. Dabei können Angebote wie z.B. in Brandenburg/ Havel ein Mittagstisch vor Ort ein Ansatz sein. Aber auch Zugang zu Kunst und Kultur muss für Menschen mit Pflegebedarf ermöglicht werden. Ein gelungenes Beispiel ist hier das Barberini in Potsdam, das spezielle Angebote für Menschen mit Demenz anbietet. Der Zugang zu Kunst und Kultur kann aber auch z.B. über einen speziell für Menschen mit Pflegebedarf organisierten Filmabend ermöglicht werden.
Nachbarschaftshilfe organisieren
Die Corona Pandemie hat gezeigt: viele Menschen wollen helfen und ihre Mitmenschen niedrigschwellig unterstützen. In der Pandemie haben sich eine Vielzahl von Hilfsangeboten kurzfristig gegründet: die Einkaufsangebote für Menschen in Quarantäne, digitale Vorlesekreise für Kinder und viele weitere gute Ideen. Die gesellschaftliche Solidarität in der Nachbarschaft ist enorm. Dies gilt es jetzt zu institutionalisieren und auf den Bereich Pflege auszuweiten. Dazu können bereits bestehende Internetplattformen genutzt werden und es braucht auch telefonische Angebote, die die Verwaltung initiiert, bei der Menschen für kleine Projekte zusammengebracht werden z.B. um etwas aus dem Supermarkt mitgebracht zu bekommen, Hilfe beim Laubfegen im Herbst o.ä.
Alltagsunterstützende Angebote schaffen
Alle Menschen mit Pflegegrad haben Anspruch auf ein Budget zur Unterstützung im Alltag. Leider scheitert diese Unterstützung in der Praxis jedoch häufig an fehlenden Angeboten vor Ort. Hier braucht es mehr Angebote in den Kommunen. Diese Angebote müssen durch die Pflegebeauftragten unterstützt werden.
Ziel dabei ist es die zu Pflegenden in ihrer Selbstständigkeit und sozialen Teilhabe zu unterstützen und die pflegenden Angehörigen wirksam zu entlasten. Diese alltagsunterstützenden Angebote können häusliche Einzelbetreuung, Gruppenangebote, Unterstützung bei der häuslichen Versorgung, aber auch ein Lesekreis sein, der Kaffeetreff, aber auch zusammenspielen, spazieren gehen oder Besorgungen erledigen.
Begegnungsräume schaffen
Entscheidend für die soziale Teilhabe der Pflegebedürftigen sind Begegnungsräume. In diesen, möglichst wohnortnahen Räumen, kann ein Austausch der Pflegebedürftigen untereinander stattfinden. Ebenso können sie für Aktionen vor Ort Projekte genutzt werden wie z.B. Kaffeetreffs, Lesekreise, etc. Diese Begegnungsräume müssen von den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, um so Initiativen, Projekte und Pflegebedürftige zu unterstützen und Angehörige zu entlasten.
Ganzheitliche Beratungsangebote bereitstellen
Stellt sich – häufig plötzlich, etwa nach einem Sturz - Pflegebedarf ein, sind die Fragen gerade zu Beginn oft groß. Welche finanzielle Unterstützung gibt es wo? Wie sieht es aus mit barrierefreiem Wohnen? Welche Angebote gibt es für mich als Angehörige von Menschen mit Pflegegrad? u.v.m. Dazu braucht es ganzheitliche Beratungsangebote.
Während die Pflegestützpunkte der Kranken- und Pflegekassen mit ihren Pflegeberater*innen [an mehreren Punkten im Land] die Brücke zu allen Angeboten und Leistungen der Sozialversicherung schlagen, sollen Kommunen die Brücke zu den lokalen Angeboten und Möglichkeiten im Lebensalltag bilden. Ihre Berater*innen sollen neben Beratung auch an der Entwicklung von Strukturen [mit]arbeiten.
Dafür braucht es auch Beratungsräume in denen Pflegebedürftige, Angehörige und Ehrenamtliche niedrigschwellig ganzheitliche Beratung erhalten können. Dabei dürfen Beratungen nicht nur digital erfolgen, sondern müssen auch in Sprechstunden u.ä. physisch vor Ort möglich sein. Diese Beratung kann die verschiedensten Angebote umfassen vom barrierefreien Wohnen bis hin zur Unterstützung für Angehörige, insbesondere beim emotional besonders belastenden Thema Demenz. Wichtig ist auch eine Beratung zu den Leistungen der Pflegeversicherung (z.B. Pflegekurse, Pflegeberatung, Förderung von Umbaumaßnahmen, stundenweise Verhinderungspflege), die häufig nicht bekannt oder mit hohen bürokratischen Hürden versehen sind, sodass sie nicht in Anspruch genommen werden und die Mittel und Unterstützung nicht bei den Menschen ankommt.
Als ergänzendes Angebot zu den Beratungsräumen und digitaler Beratung braucht es eine Zugehende und Aufsuchende Beratung direkt bei den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen.
Der Kommune kommt auch die Aufgabe zu über Beratungsangebote, Initiativen und Projekte zu informieren und diese bekannt zu machen, z.B. in einem lokalen Pflegewegweiser, der von den Kommunen publiziert wird.
Demenzlots*innen einführen
Menschen mit Demenz und deren Angehörige haben oft einen besonderen Beratungsbedarf. Wichtig dabei ist, dass die Beratungsangebote bis in jedes Dorf reichen. Dazu können in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Demenz Demenzlots*innen in den Städten und Gemeinden Teil der Lösung sein, die wohnortnahe Sprechstunden anbieten und langfristig als feste Ansprechpersonen zum Thema Demenz bekannt sind. Um die konkreten Beratungsbedarfe vor Ort zu ermitteln ist eine Bestandsanalyse der jeweiligen Situation vor Ort im ersten Schritt notwendig.
Barrierefreiheit sichern
Von einer barrierefreien Welt sind wir noch meilenweit entfernt und haben in allen gesellschaftlichen Bereichen noch großen Nachholbedarf. Besonders wichtig, ist die Barrierefreiheit aber beim Aufbau von Pflege- und Unterstützungsstrukturen. Alle Angebote, analog und digital, müssen ohne wenn und aber barrierefrei zugänglich sein.
Dabei müssen alle Fördermittel von allen Ebenen möglichst ausgeschöpft werden. Dazu zählen z.B. über die Krankenkassen im Kontext wohnumfeldverbessernder Maßnahmen konkrete Umbauten, die zu Hause gefördert werden. Diese Förderung über die Krankenkassen muss besser genutzt werden und dafür müssen sich die Kommunen von der Beratung bis hin zu den Wohnungsbaugesellschaften einsetzen.
Alle schriftlichen Informationsangebote müssen grundsätzlich auf Lesbarkeit überprüft werden und zusätzlich ggf. in leichte Sprache übersetzt werden.
Mindestens genauso wichtig wie die Barrierefreiheit im privaten und beruflichen Raum ist die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Dazu zählen u.a. funktionierende Aufzüge und barrierefreie Zugänge in den Bahnhöfen, abgesenkte Bordsteinkanten oder taktile Leitstreifen für Menschen mit Sehbehinderung. Dazu müssen alle Fördergelder z.B. von der EU unter Einbeziehung der Senior*innenbeiräte und weiterer lokaler Akteur*innen möglichst ausgeschöpft werden.
Neben den physischen Barrieren ist es gesamtgesellschaftlich ebenso wichtig die Barrieren „im Kopf“ abzubauen. Dazu zählt die Förderung eines positiven Alters- und Pflegebilds, bei dem Menschen aktiv am Leben teilnehmen und nicht mehr durch Barrieren in der Gesellschaft eingeschränkt werden.
2. Handlungsmöglichkeiten der Landkreise und kreisfreien Städte
Die Pflegeinfrastruktur entsteht nach dem SGB XI zufällig und ungeplant; für die „Zulassung zur Versorgung“ ist unerheblich, welche Angebote benötigt werden. Der Markt mit seinen Ausgleichsmechanismen weist aber im Bereich der Pflege ganz erhebliche Funktionsdefizite auf. Anbieter fokussieren in ihrer Logik auf die „Rosinen im Kuchen“; insbesondere in ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte kommt es dagegen zu Unterversorgungen.
Dazu kommt: Einzelne Angebote sind noch kein Versorgungsystem. In einem guten Netzwerk haben die Akteure Kenntnis voneinander, verabreden sinnvolle Spezialisierungen, vermeiden unsinnige Konkurrenzen und vereinbaren an ihren Schnittpunkten Überleitungsverfahren. Besondere praktische Relevanz hat dies bei der Gestaltung des Übergangs von pflegebedürftigen Menschen zwischen Pflege und Krankenhaus sowie bei der Organisation der Versorgung am Lebensende. Die Landkreise und kreisfreien Städte sind aufgefordert, die pflegerische und medizinische, insbesondere geriatrische Versorgung gemeinsam und integriert zu planen.
Das Land stellt daher im Rahmen des Pakts für Pflege für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt 150.000 Euro jährlich für eine aktive Pflegestrukturpolitik zur Verfügung. Das Land hat konsequenterweise auch die Entscheidungen über die Förderung von Projekten der Tages- und Kurzzeitpflege aus dem Zukunftsinvestitions-Fonds in die Hände der Landkreise und kreisfreien Städte gelegt. Nur dort kann Kenntnis über konkrete Versorgungsbedarfe und geeignete Anknüpfungspunkte für neue Angebote bestehen.
Wir Bündnisgrüne bekennen uns zur Verantwortung des Landes, Pflege aktiv und gemeinsam mit der kommunalen Familie mitzugestalten und werden diesen Ansatz konsequent ausbauen.
Zugleich bedarf es einer Begleitung auf Bundesebne durch eine Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege in den maßgeblichen Leistungsgesetzen. Ausdruck dieser neuen Verantwortung der Träger der Daseinsvorsorge muss nach den Erfahrungen von Corona sein, dass Modelle regionaler, intersektoraler Versorgungsverträge ermöglicht und gefördert werden. Zugleich bedarf es einer stärkeren regional verantworteten Steuerung der pflegerischen und gesundheitlichen Angebote mit der Möglichkeit einer Einschränkung des Kontrahierungszwanges.
Die Pflegestützpunkte werden gemeinsam getragen von den Pflegekassen, den Krankenkassen und den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten. Sie haben sich im Grundsatz bewährt, müssen aber deutlich ausgebaut werden, um den enormen Beratungsbedarf aktiv angehen und bewältigen zu können. Dabei sollte durch eine enge Vernetzung mit den ergänzenden, niedrigschwelligen Beratungsangeboten auf örtlicher Ebene, aufsuchende Beratungsarbeit und digitale Formate vor allem die Wirkung der Pflegestützpunkte in der Fläche ausgeweitet werden. Hierfür stellt das Land pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt 100.000 Euro pro Jahr zur Verfügung.
3. Handlungsmöglichkeiten in Land und Bund
Professionelle Pflege stärken – Gesundheitssystem an den Bedarfen orientieren
Die Corona Pandemie hat die Wichtigkeit von Pflege in unserer Gesellschaft deutlich gezeigt. Gleichzeitig aber auch wie durch ein Brennglas schonungslos die Probleme bei den professionellen Pflegestrukturen und in unseren Krankenhäusern offen gelegt. Jetzt zeigen sich die Fehlinvestitionen und Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Wir brauchen endlich ein grundlegendes Umdenken in unserem Gesundheitssystem. Unser Gesundheitssystem muss sich an den Bedarfen der Menschen orientieren und nicht an Profiten.
Bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung - mehr Menschen für den Pflegeberuf gewinnen
In der Corona Pandemie standen die Menschen auf den Balkonen und haben für die Pfleger*innen geklatscht. Pflegekräfte und Pflegefachkräfte leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft und klatschen alleine reicht nicht. Pflegekräfte verdienen eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Dazu braucht es starke Interessenvertretungen und deren Unterstützung, z.B. durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege. Zugleich unterstützen wir die Ansätze auf Bundesebene, die Finanzierungsbedingungen in der Pflege- wie auch Krankenversicherung vom Kopf auf die Füße zu stellen. Nur mit fairen Refinanzierungsbedingungen können Krankenhäuser, stationäre Pflegeinrichtungen, aber auch ambulante Pflegedienste ihre Beschäftigten gut und fair bezahlen. Zugleich bedarf es kluger und verbindlicher Regelungen der Personalbedarfsbemessungen in allen diesen Einrichtungen und Diensten, damit die Pflegekräfte sich den ihnen anvertrauten Menschen mit Zeit und Kompetenz
zuwenden können. Die Kommunen sind gefragt als Vorbild zu agieren z.B. bei der Bezahlung und den Arbeitsbedingungen in kommunalen Krankenhäusern.
Ein Drittel der Auszubildenden verlassen während der Ausbildung oder unmittelbar danach den Beruf. Pflegende blieben im Schnitt nur acht Jahre im Beruf. Viele flüchten in Teilzeit. Grund sind die belastenden Arbeitsbedingungen, die eine angemessene und professionelle Versorgung oft unmöglich machen. So gibt es trotz großen Interesses zu wenig Menschen, die den Pflegeberuf ausüben, der Pflegenotstand ist längst da.
Daher gilt es jetzt auf allen Ebenen die Weichen umzustellen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, die Flucht von berufliche Pflegenden zu stoppen und neue Pflegekräfte zu gewinnen. Dazu zählt u.a. die Weiterqualifizierung von Hilfskräften, Wiedereinstiegsprogramme für Berufseinsteiger*innen, eine bessere Personalausstattung, Ausbildungsvergütungen für Studierende in der Pflege, berufsbegleitende Ausbildungen, spezifische Angebote für Migranten*innen sowie mehr Mitspracherechte und Verantwortung. Zugleich müssen neue Arbeitszeitmodelle durch Unterstützung der Leistungserbringer in der Pflege durch Beratungs- und Coachingangebote ermöglicht werden. Hier müssen Gesundheits-, Pflege-, Integrations-, Wissenschafts- und Arbeitspolitik noch viel stärker und verbindlicher ihre Maßnahmen im Sinn einer „Konzertierten Aktion Pflege des Landes Brandenburg“ ineinandergreifen.
Fachkräftesicherung
Brandenburg steht -wie alle Bundesländer- vor der großen Herausforderung, den zukünftigen Bedarf an Pflegekräften und Pflegefachkräften durch folgende Herausforderungen langfristig zu sichern
- den steigende Anzahl älterer und pflegebedürftiger Menschen
- das altersbedingte Ausscheiden vieler derzeit tätiger Pflege(fach)kräfte
- den demographisch bedingten weniger zur Verfügung stehenden Arbeitskräften.
Wir Grüne stehen für eine langfristig angelegte Strategie einer zukunftsorientierten Sicherung dieses Bedarfs. Diese zeichnet sich durch die nachfolgenden Elemente aus, die wir gemeinsam mit unseren Partnern im Land und Bund umsetzen wollen:
- Verbleib der Menschen solange in ihrer Häuslichkeit und ihres sozialen Umfeldes und dadurch bedingter zielgerichteter Einsatz der Pflegekräfte und Pflegefachkräfte
- Steigerung der Attraktivität der Pflege- und Gesundheitsberufe durch gute Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung
- Schaffung einer modernen und zukunftsfähigen Pflegassistenzausbildung zur Entlastung der Pflegefachkräfte
- Stärkung des Teamgedankens in der pflegerischen und gesundheitlichen Versorgung
- Übertragung von Vorbehaltsaufgaben auf die Pflegekräfte
- Ausbau der akademischen Pflegeausbildung und Stärkung Interdisziplinärer Ausbildungsansätze zwischen Medizin und Pflege mit der neuen Medizinerausbildung am Standort Cottbus
- Stärkere finanzielle Beteiligung des Landes an der Ausbildung unserer Zukunft in der Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Rahmenbedingungen auf Bundesebene verbessern – Pflegeversicherung reformieren
Neben Land und Kommunen spielt auch der Bund beim Thema Pflege eine entscheidende Rolle. Zentral ist hier eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Die letzte Bundesregierung hat die Anpassung der Pflegeversicherung an die Preissteigerungen ausgesetzt, sodass Pflegebedürftige immer weniger Leistung für dasselbe Geld bekommen. Die nächste Bundesregierung muss daher schnell handeln und als einen zentralen Baustein auch die Pflegeversicherung umfassend reformieren. Mit unserem Konzept der doppelten Pflegegarantie liegt ein pragmatischer Lösungsvorschlag auf dem Tisch, wie wir Pflegeeigenanteile sofort senken und dauerhaft deckeln können.
Solidarität mit den Beschäftigten bei Asklepios
In Brandenburg streiken aktuell die Beschäftigten der Asklepios Kliniken. Dabei geht es um die Angleichung der Löhne von Ost und West. Während der Konzern von den Krankenkassen in Ost und West für die Patientenversorgung gleich hohe Vergütungen erhält, zahlt er seinen Beschäftigten im Osten erheblich weniger.
Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sollte im 21. Jahrhundert selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Wir unterstützen daher die Streikenden bei ihrer Forderung der Angleichung von Löhnen in Brandenburg an die Löhne bei Asklepios im Westen.
Der Streik zeigt aber noch weitere grundlegende Missstände in unserem Gesundheitssystem. Die Privatisierung der Kliniken, die heute zu Asklepios gehören war ein Fehler. Wir brauchen eine grundsätzliche Trendumkehr im Gesundheitssystem weg von der Privatisierung, das bedeutet, dass es keine weiteren Privatisierungen mehr geben darf. Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht und muss sich an den Bedarfen der Menschen orientieren und nicht an Profiten.