Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | Landesparteirat |
Beschlossen am: | 22.11.2021 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Die Ampel steht auf grün - Klimagerechtigkeit in die Offensive
Beschlusstext
Eine klimagerechte und somit lebenswerte Welt für alle zu schaffen, ist unser aller Verpflichtung. Die Folgen der Klimakrise schränken heute schon die Freiheit vieler ein. Deswegen muss das 1,5°-Grad-Ziel ins Zentrum all unseres Handelns gestellt werden.
Die Beachtung der planetaren Grenzen und die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks sind zu einem kategorischen Imperativ geworden. Um diesem gerecht zu werden, müssen Chancen und Lasten im Transformationsprozess durch eine solidarische Politik gerecht verteilt werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass das Land Brandenburg spätestens 2035 klimaneutral wird, damit das zur Erreichung des 1.5°-Ziels verbleibende CO2-Budget eingehalten wird. Dafür braucht es neben den folgenden Maßnahmen zur Einschränkung der Folgen der Klimakrise - spätestens in der nächsten Legislaturperiode - einen Klimavorbehalt für das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz . Haushaltsplanungen, welche den Zielen des Pariser Klimaabkommens widersprechen, müssen mit dem Klimavorbehalt verhindert werden können. Zusätzlich müssen bei der kommunalen und regionalen Entwicklung Klimagerechtigkeit und Klimaanpassung Leitmotive sowie entscheidende Kriterien für die Mittelvergabe und Förderprogramme sein.
RADIKALE ENERGIEWENDE
Der Kohleausstieg muss vor 2038 erfolgen. Wir fordern, dass Brandenburg spätestens bis 2030 aus der Kohleverbrennung und -produktion ausgestiegen ist.
- Wir kämpfen dafür, dass der Ausbau bei Windkraft und Photovoltaik in Brandenburg vorangeht – mit planungsrechtlicher Unterstützung, mit schnelleren Genehmigungen und ausreichend Flächenverfügbarkeit durch das Land und möglichst wenigen Belastungen für Mensch und Umwelt auch bei Produktion und Errichtung.
- Die für Industrieprozesse, Wärme und Mobilität notwendigen Gase müssen klimaneutral und unter Verwendung von Ökostrom hergestellt werden, welches den Ausbaubedarf der Erneuerbaren Energien erhöht. Auch das Zeitalter von Erdgas muss schnell enden. Den Aufbau neuer Erdgas-Infrastruktur und damit verbundenen Lock-In-Effekte lehnen wir strikt ab.Zusätzliche Erdgasförderung in Brandenburg ist aufgrund geringer Verfügbarkeit und schwieriger Förderbedingungen nicht sinnvoll. Dieses Erdgas stünde erst zur Verfügung, wenn wir schon längst aus der Nutzung fossilen Erdgases ausgestiegen sein müssen. Nord Stream 2 darf nicht in Betrieb gehen.
- Der Ausbau von Wind- und Solarenergie muss rapide erhöht, entbürokratisiert und gefördert werden. Das bisherige Ziel der Landesregierung zur Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis 2030 muss erhöht werden.
- Über 30% der deutschen Treibhausgasemission entstehen durch die Wärmeversorgung von Gebäuden. Eine effiziente Dekarbonisierung setzt in den meisten Fällen eine energetische Gebäudesanierung voraus. Wir setzen uns dafür ein, dass es hier auch in Brandenburg schneller voran geht. Zur Wärmewende trägt auch eine effiziente Nutzung von Wohnraum bei. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Wohnraum bedarfsgerecht geplant wird und nicht immer mehr Wohnfläche pro Mensch verbraucht wird.
180 GRAD MOBILITÄTSWENDE
Auch auf den Straßen Brandenburgs wird noch zu viel CO2 verursacht. Wir müssen den Verkehr mit treibhausgasemittierenden Fahrzeugen drastisch reduzieren und wirksame Anreize für den Umstieg auf nachhaltige Alternativen ermöglichen. Auch Schüler*innen, Auszubildende und Rentner*innen in den ländlichen Regionen Brandenburgs müssen von Beginn an in Planungen einbezogen werden.
Mobilitätswende bedeutet für uns Bündnisgrüne Vermeiden, Verlagern, Verbessern. Priorität 1 ist das Vermeiden von Verkehr durch geteilte Fahrten, dezentrale Kreislaufwirtschaft, kurze Wege zwischen Wohnen, Arbeit, Freizeit und Versorgung sowie die Digitalisierung. 2. Priorität ist das Verlagern des Verkehrs weg vom Auto hin zu Fuß-, Rad- und Öffentlichem Verkehr. Erst 3. Priorität ist das Umstellen der Antriebe des motorisierten Verkehrs. Die Entwicklung und Verbreitung von E-Mobilität muss auch durch preiswerte Angebote und eine starke Ladeinfrastruktur flankiert werden. Die Ansiedlung von Tesla begleiten wir kritisch, damit es in die richtige Richtung geht. Luxuriöse E-SUVs bringen uns einer gesamtgesellschaftlichen Mobilitätswende keinen Schritt näher.
- Wir wollen den Umweltverbund bis 2035 verdoppeln. Sowohl der ÖPNV als auch der MIV müssen bis dahin klimaneutral werden.
- Die Fußwegeplanung muss in enger Abstimmung den Fußgänger*innen erfolgen. Der Sicherheit und der Barrierefreiheit für Fußwege sollte Priorität eingeräumt werden. Parkflächen für Autos müssen gegebenenfalls weichen.
- Es muss überall in Brandenburg möglich sein, ohne ein eigenes Auto ein Gutes Leben zu führen. Dafür fordern wir eine Mobilitätsgarantie, um allen Brandenburger*innen möglichst rund um die Uhr bedarfsgerecht und tagsüber zwischen 5 und 22 Uhr mindestens stündlich eine Möglichkeit zu geben, in Verkehrsmittel des ÖPNV oder geteilte Fahrten einzusteigen.
- Wir fordern auch eine breite Lastenradprämie nicht nur für Vereine, Unternehmen und Behörden, sondern auch für Privatpersonen. Zudem braucht es Radschnellwege zwischen benachbarten Städten sowie von und nach Berlin sowie einen massiven Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in und zwischen den Kommunen. Viele Menschen würden gerne auf bestimmten Strecken auf ihr Auto verzichten, dafür bedarf es aber viel mehr sichere Radwege und Radabstellanlagen.
- Der ÖPNV muss mit einem digitalen Ticketsystem öffentlich und solidarisch finanziert und flächendeckend werden, auch um eine übersichtliche Tarifstruktur zu ermöglichen. Die Teilung von 1. und 2. Klasse in den Regionalzügen des VBB gehören auf das Abstellgleis. Um die Finanzierung des ÖV auf breitere Beine zu stellen, braucht es die Einführung einer Dritten Finanzierungssäule.
- In Brandenburg darf es keine unbenutzten Gleise mehr geben - stillgelegte Strecken müssen schneller und vollumfänglich reaktiviert werden. Das Streckennetz muss weiterhin ausgebaut werden.
- Die Sicherheit an Bahnübergängen muss erhöht und Barrierefreiheit zur Leitlinie bei Neubau und Sanierung werden. Zu viele Bahnübergänge in Brandenburg verfügen noch über keinerlei Signaltechnik, vor allem an Nebenstrecken.
- Eine barrierefreie und unmittelbare Mitnahme von Fahrrädern muss durch den VBB von allen Verkehrsträgern eingefordert werden. Dafür braucht es mehr Fahrradstellplätze in Zügen und an Bahnhöfen. Grundsätzlich soll die Fahrradmitnahme kostenfrei möglich sein. Gleichzeitig setzen wir auf die Integration von Fahrradverleihsystemen in den VBB-Tarif, um eine intelligente Kombination von Bahn und Rad zu ermöglichen.
- Straßenverkehrsprojekte aus dem Bundesverkehrswegeplan sowie dem Fernstraßenbedarfsplan gehören auf den Prüfstand. Klimapolitisch unverantwortliche Projekte darf das Land Brandenburg nicht weiter verfolgen.
- Verkehrsvermeidung durch mobiles Arbeiten und Quartiersentwicklungen, die kurze Wege ermöglichen.
AGRARWENDE IN DIE OFFENSIVE
Die Landwirtschaft in Deutschland trägt durch Tierhaltung und landwirtschaftliche Bodennutzung maßgeblich zum Ausstoß von Treibhausgaben bei. Wir haben den Anspruch, den Agrarsektor nachhaltig umzubauen, ihn so weit wie möglich klimaneutral zu machen und die verbleibenden CO2-Ausstöße durch ökologische Senken auszugleichen. Dabei ist es uns wichtig, nicht nur über die Landwirtschaft zu sprechen, sondern uns auch gezielt mit den Akteur*innen des Agrarsektors auseinanderzusetzen.
Wir fordern die Abschaffung pauschaler Flächensubventionen, um die Förderung mit der Gießkanne zu beenden und gezielt eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft zu stärken. Damit wollen wir das Prinzip „Masse statt Klasse“ umkehren und statt subventionierter Billigware für den Welthandel die Erzeugung und Verarbeitung regionaler Lebensmittel für den europäischen Binnenmarkt unterstützen.
- Wir wollen, dass Brandenburg seine Erfolgsgeschichte beim Ökolandbau fortschreibt und bis Ende 2024 20% unserer landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet werden.
- Mit dem Öko-Aktionsplan liegt ein ambitioniertes Paket vor, um mehr Klima- und Naturschutz mit dem besonderen Potential einer regionalen und wirtschaftlichen Wertschöpfung zu verbinden, wie sie unsere Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg bietet. Der Öko-Aktionsplan muss langfristig mit ausreichend finanziellen Mitteln unterlegt werden. Auch Öko-Modellregionen (wie z.B. in Hessen) braucht es, um den Wandel der Landwirtschaft in Brandenburg weiter voranzutreiben.
- Der Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland ist überfällig. Dazu gehört, dass die Zahl der gehaltenen Tiere an die zur Verfügung stehende Fläche und Obergrenzen pro Stall gebunden werden. Wir fordern, dass Tiere so gehalten werden, dass sie ein tiergerechtes Leben führen können. Die Zugabe von Medikamenten, v.a. von Antibiotika, muss auf ein Mindestmaß reduziert werden. Denn nur so können Treibhausgase spürbar reduziert werden und Tragödien wie der Brand in der Schweinezuchtanlage Alt-Tellin verhindert werden. Mit der industriellen Tierhaltung muss Schluss sein. Den Zukauf von Futtermitteln aus anderen Kontinenten lehnen wir strikt ab.
- Brandenburg steht in der Verantwortung, den Einsatz von Pestiziden sowie invasive Arten gezielt zu bekämpfen. Mit einer flächengebundenen Tierhaltung, reduzierten Düngemengen und nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Böden wollen wir Überdüngung verhindern. Besonders der Einsatz von mineralischem Stickstoffdünger muss schnellstmöglich minimiert werden.
- Um Brandenburgs Moore zu schützen und zu erhalten sowie landwirtschaftliche Treibhausgasemissionen zu reduzieren, müssen landwirtschaftlich genutzte Moorböden moorschonend bewirtschaftet werden. Dazu sind hohe Wasserstände, angepasste Technik zur Bewirtschaftung und Verwertungsmöglichkeiten für Biomasse von nassen Flächen erforderlich. Wir fordern, dass der Torf in den Mooren bleibt.
ESSEN IST POLITISCH
Die Zukunft einer klimagerechten Ernährung der Weltbevölkerung liegt in einer weitestgehend pflanzlichen Ernährung. Klimafreundliche Ernährung - saisonal, regional und ökologisch zertifiziert - muss für alle möglich und bezahlbar sein. Regionale Produkte reduzieren den CO2-Ausstoß eines Produktes teilweise erheblich.
Pflanzliche und ökologische Produkte müssen steuerlich bevorzugt werden. Nur durch ein starkes regionales Handelsnetz zwischen Landwirt*innen und Verbraucher*innen können wir als Gesellschaft ein stabiles Preisniveau für nachhaltige, regionale und ökologische Lebensmittel erreichen. Während zahlreiche Bundesländer den Landwirt*innen bereits seit längerem mit Öko-Aktionsplänen unter die Arme greifen, konnte ein solcher erst kürzlich durch uns in Brandenburg etabliert werden.
- Die Preise für tierische Produkte müssen endlich die wahren Kosten der industriellen Tierhaltung reflektieren, um faire Haltungsbedingungen für die Tiere und faire Arbeitsbedingungen in Agrarsektor zu ermöglichen.
- Wir wollen die Tierhaltung auf ökologische und regionale Erzeugung umstellen und den Konsum von Tierprodukten reduzieren, um das Klima zu schützen. Vegane und vegetarische Gerichte sollen in Kantinen zum Standard werden.
- Wir setzen uns für eine bessere Vermarktung von regionalem Wildfleisch ein. Damit unterstützen wir auch den ökologischen Waldumbau.
- Brandenburg darf sich nicht an Exporten in Länder im globalen Süden beteiligen, welche die Wirtschaft vor Ort unverhältnismäßig unter Druck setzen.
FLUCHTGRUND: KLIMAKRISE - ANERKENNUNG JETZT!Klimainduzierte Migration muss zukünftig stärker in der Integrations- und Asylpolitik Brandenburgs berücksichtigt werden. Aus der historischen Verantwortung Deutschlands ergibt sich auch an dieser Stelle die Aufgabe Menschen zu helfen, welche unter den Klimafolgen leiden. Dazu braucht es neben einem Aufnahmeprogramm für Geflüchtete aufgrund der Folgen der Klimakrise echte Bleibeperspektiven für alle Geflüchteten, die von den Folgen der Klimakrise betroffen sind.
Um die Klimakrise mit den notwendigen Maßnahmen effizient zu bekämpfen und den damit verbundenen Herausforderungen zu begegnen, sind wir auf Zuwanderung angewiesen. Nur gemeinsam und unter Einbeziehung internationaler Erfahrungen und vielfältiger Perspektiven schaffen wir Klimawandelresilienz in Brandenburg und erarbeiten Strategien für einen Umgang mit weltweiten Folgen der Klimakrise. Hierfür müssen die Bleiberechtsperspektiven arbeitender Geflüchteter verbessert werden. Menschen in Asylverfahren dürfen unter keinen Umständen gegenüber anderen Gruppen, die staatlichen Transferleistungen erhalten, benachteiligt werden.
NEOKOLONIALE AUSBEUTUNGSMECHANISMEN AUFLÖSEN!
Klimagerechtigkeit bedeutet auch, globale Lieferketten, welche häufig neokoloniale Ausbeutungsmechanismen zementieren, sozial gerecht und klimaneutral auszurichten. Unternehmen können über ihre Lieferketten sowohl Mensch als auch die Natur ausbeuten. Selbst ohnehin unzureichende Umwelt-, Tier- oder Arbeitsschutzrichtlinien können teilweise einfach umgangen werden. Insbesondere die Arbeitsbedingungen auf agrar-industriellen Plantagen sind teilweise extrem schlecht und die Löhne viel zu niedrig, um davon leben zu können.
Klimagerecht auf die Welt aus Brandenburg einzuwirken bedeutet also:
- Den Ausbau des Lieferkettengesetzes im Bund einzufordern, um Arbeiter*innen in der globalen Wertschöpfungskette und die Umweltziele zu schützen.
- Verpflichtende Hinweise über die Lieferkette und Transportwege für Unternehmen. Private Zertifikate oder Zusagen reichen nicht aus.
- Staatliche Förderung von entwaldungsfreier Produktion, statt die Akzeptanz von auf Waldzerstörung basierender Produktion in anderen Ländern.
Alle diese Ziele sind sehr herausfordernd und nur mit massiven Investitionen und zusätzlichen politischen Maßnahmen in praktisch allen Sektoren zu schaffen. Dennoch dürfen wir nicht nachlassen, die stärkste Lobby für ein lebenswertes Ökosystem zu sein. Ohne Klimagerechtigkeit gibt es keine Gesellschaft und auch kein System mehr.
Von einer bündnisgrünen Regierungsbeteiligung erwarten wir uns politische Rahmenbedingungen, die klimafreundliches Verhalten belohnen, die großen
Emissionstreiber*innen sanktionieren, klimafreundliche Technologien wirtschaftlich machen und gleichzeitig die soziale Gerechtigkeit stets im Blick behalten.