Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | Landesparteirat |
Antragshistorie: | Version 1 |
Der Oder mehr Raum geben! Oder-Ausbau stoppen und Hochwasserschutz konsequent umsetzen
Beschlusstext
Die Oder ist ein Fluss, der viele Jahrzehnte Deutsche und Pol*innen trennte, aber nun verbindet. An der Oder sind in über viele Jahre hinweg wertvolle Natura 2000-Gebiete und der einzige Auen-Nationalpark Deutschlands entstanden.
Die Brandenburger Bündnisgrünen begrüßen das Engagement von Umwelt- und Naturschutzverbänden, Wissenschaftler*innen, Bürger*innen und Politiker*innen aller Ebenen in Deutschland und Polen zum Schutz und Erhalt der naturnahen Oder und die Proteste gegen einen geplanten Oder-Ausbau. Das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit der Regierung der Republik Polen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet (Hochwasserschutz, Abfluss und Schifffahrtsverhältnisse)“ von 2015 enthält Maßnahmen, die nicht mit dem EU-Umweltrecht (Wasserrahmenrichtlinie, Natura 2000-Richtlinien) vereinbar sind und drastische Auswirkungen auf Natur, Klima, Landwirtschaft und Tourismus hätten. Sie dürfen daher nicht umgesetzt werden. Wir begrüßen daher, dass das Umweltministerium Widerspruch gegen die Planungen bei der Stettiner Umweltbehörde eingelegt hat. Eine Bescheidung wird jedoch seit vielen Monate verzögert - ohne
aufschiebende Wirkung.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur stuft die Oder als Nebenwasserstraße ein und plant laut Bundesverkehrswegeplan auch keinen Ausbau. Ein Oder-Ausbau hat aus verkehrspolitischer Sicht kaum Vorzüge, vernichtet aber unwiederbringlich wertvolle Flora und Fauna und gefährdet die Landwirtschaft rechts und links der Oder. Nichtsdestotrotz hat sich die polnische Regierung mehrfach für einen Ausbau der Oder für Gütertransporte ausgesprochen und Pläne zum Erreichen höherer Wasserstraßenklassen für den Gütertransport sowie zum Ausbau von mehreren Staustufen veröffentlicht. Längst überholte und unrealistische Träume von Güterschifffahrt in großem Maßstab auf der Oder und der Ausbau der Oder als Schifffahrtsstraße lassen sich weder ökologisch noch wirtschaftlich rechtfertigen.
Die Behauptung, der Oder-Ausbau diene dem Hochwasserschutz, ist vorgeschoben. Im Falle eines Hochwassers würde die Hochwasserwelle durch die Verengung des Flussbetts sogar noch ansteigen. Das belegen die Ausbauplanungen der Bundesanstalt für Wasserbau. Auch für den Eisbrechereinsatz ist keine Vertiefung notwendig, wie das Brandenburger Umweltministerium bestätigt hat. Stattdessen steht hier eine Zweckentfremdung von Fördermitteln der Weltbank und der EU durch Polen im Raum, denn diese wurden allein für den Hochwasserschutz, nicht aber für die Güterschifffahrt bewilligt.
Im kommenden Jahr jährt sich die Jahrhundertflut an der Oder zum 25. Mal. Mit Blick darauf und auf die diesjährige Flutkatastrophe in Westdeutschland mahnen die Brandenburger Bündnisgrünen eine konsequente Umsetzung des "Aktionsprogramms Hochwasserschutz für die Oder" und der Maßnahmen an der Oder aus dem Nationalen Hochwasserschutzprogramm an. Denn während bisher viel Geld in die Deichsanierung investiert wurde, haben Deichrückverlegungen nur punktuell stattgefunden und sind die Planungen der vereinbarten Flutungspolder an der Oder nicht umgesetzt worden. Aus Bündnisgrüner Sicht ist Hochwasserschutz nie nur technischer Hochwasserschutz, sondern umfasst immer die Forderung "Den Flüssen mehr Raum" zu geben. Das bedeutet, wo immer möglich, Deichrückverlegungen vorzunehmen. Wo dies nicht geht, sind aus unserer Sicht regelmäßig geflutete Polder denjenigen Poldern vorzuziehen, die nur im Extremfall geflutet werden, um den Hochwasserschutz so naturnah wie möglich zu gestalten und
Beeinträchtigungen von Landnutzungen zu minimieren. Wir sehen es als notwendig an, die im nationalen Hochwasserschutzprogramm für die Oder vorgesehenen Maßnahmen (Polder in der Neuzeller Niederung und Ziltendorfer Niederung) zügig umzusetzen. Dies beinhaltet ein geordnetes Verfahren für den Notfall zu etablieren, durch den Schutz von Siedlungen und Entschädigungsregelungen für Landnutzer*innen und Kleingärtner*innen. Denn in Zeiten des Klimawandels wissen wir: Nach einem Jahrhunderthochwasser ist vor einem Jahrhunderthochwasser.
Wir fordern die Weltbank, die Entwicklungsbank des Europarates und die EU-Kommission auf:
- zu überprüfen, ob eine Zweckentfremdung ihrer Fördermittel vorliegt, da nicht wie bewilligt der Hochwasserschutz, sondern die Güterschiffahrt im Vordergrund der polnischen Pläne steht und der Hochwasserschutz sich durch die geplanten Maßnahmen sogar verschlechtern würde.
Wir fordern die aktuell Verhandelnden eines Koalitionsvertrages auf Bundesebene und die künftige Bundesregierung auf:
- eine Verhinderung von Oder-Ausbau-Maßnahmen im Koalitionsvertrag zu verankern, sowie das Ziel zu verfolgen, im gemeinsamen Dialog mit Polen und Tschechien einen vorbeugenden Hochwasserschutz am Mittel- und Oberlauf der Oder umzusetzen;
- das deutsch-polnische Wasserstraßen-Abkommen von 2015 daraufhin zu überprüfen, an welchen Stellen es nicht mit dem EU-Umweltrecht vereinbar ist und die betreffenden Maßnahmen auszusetzen;
- die Auswirkungen des Klimawandels und von zunehmenden Extremwetterereignisse in den Modellierungen der Bundesanstalt für Wasserbau zu berücksichtigen;
- Gespräche mit der polnischen Regierung dazu suchen, wie das Abkommen auf einen wirksamen EU-Rechtskonformen Hochwasserschutz im Einklang mit der Natur zurückgeführt werden kann und wie Schienenverbindungen grenzüberschreitend voranzubringen sind;
- Mittel für den Ausbau von Bahnverbindungen deutlich zu erhöhen, sodass mehr Güter auf die Schiene verlagert werden können.
Wir fordern die Brandenburgische Landesregierung auf:
- die Priorisierung der Polder-Umsetzung in der Neuzeller Niederung und der Ziltendorfer Niederung zu überprüfen und die notwendigen Schritte einzuleiten, um einen nachhaltigen Hochwasserschutz entlang der Oder zu gewährleisten.
Wir fordern den Landesvorstand auf:
- in Zusammenarbeit mit den LAGen Ökologie und Verkehr, den Kreisverbänden entlang der Oder sowie dem Parteirat gemeinsam einen innerparteilichen Diskussionsprozess zu organisieren, der die Positionierung des Landesverbandes zu den Themen Oder-Ausbau und Hochwasserschutz in Brandenburg weiterentwickelt und schärft.