Veranstaltung: | 43. Landesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | 8. Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Parteirat |
Beschlossen am: | 24.01.2020 |
Eingereicht: | 28.01.2020, 12:06 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Demokratie leben und dauerhaft stärken! - Verlässliche Bundesförderpolitik für eine starke und vielfältige Zivilgesellschaft!
Beschlusstext
Unser demokratisches Zusammenleben funktioniert nicht ohne eine starke Zivilgesellschaft, die sich aktiv für Demokratie einsetzt und engagiert den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und alle Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit führt.
Dieses Engagement wird maßgeblich von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Projekten betrieben, die sich gegen rechte Gewalt und für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben einsetzen. Und das oftmals unter erschwerten Rahmenbedingungen, mit limitierter finanzieller Ausstattung und unter großem persönlichem Einsatz. Und immer häufiger sind sie massiven Attacken und Einschüchterungsversuchen vom rechten Rand ausgesetzt.
Es ist die Aufgabe der Politik – egal ob auf Landes- oder Bundesebene – diesen Einsatz zu würdigen, abzusichern und auf eine solide und verlässliche Grundlage zu stellen.
Im Land Brandenburg übernehmen wir dazu mit dem Landesprogramm „Tolerantes Brandenburg“ und dem „Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“, mit den Aktions- und Teilhabeplänen „Queeres Brandenburg“ und „für Menschen mit Behinderungen“, mit der „Opferperspektive e.V.“, dem "Flüchtlingsrat Brandenburg e.V." , den "RAA Brandenburg e.V." und vielen weiteren Vereinen und Verbänden und Maßnahmen Verantwortung, die durch Parlamentsinitiativen unserer bündnisgrünen Landtagsfraktion kontinuierlich weiterentwickelt und gestärkt wurden und werden.
Komplementär dazu hat auf Bundesebene das Förderprogramm „Demokratie Leben“ in den vergangenen Jahren einen essentiellen Beitrag dabei geleistet, diese zivilgesellschaftlichen Strukturen zu unterstützen. Umso unverständlicher ist der aktuelle Kurswechsel des Bundesfamilienministeriums der Bundesministerin Franziska Giffey. Denn durch diesen droht eine Rückabwicklung der Strukturen, die in den letzten Jahren mühevoll aufgebaut und gestärkt wurden. Organisationen und Einrichtungen werden massiv geschwächt und zum Teil sogar zerschlagen.
Das Vorgehen der Bundesfamilienministerin hat das Vertrauen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen – gerade auch derjenigen, die sich in der Fläche und in für sie gefährlichen Kontexten für das demokratische Gemeinwesen einsetzen – nachhaltig erschüttert. Die, in Reaktion auf öffentlichen Druck vorgenommene, teilweise Rücknahme der Mittelkürzungen bei „Demokratie Leben“ reicht bei weitem nicht aus, um den angerichteten Schaden zu beheben.
Wir fordern die rasche Umsetzung folgender Punkte:
- die dauerhafte Aufstockung der Mittel
- die vorläufige Rückkehr zu den alten Förderrichtlinien, mit denen die zivilgesellschaftlichen Projekte im Mittelpunkt stehen
- die Rücknahme der schwerpunktmäßigen Verlagerung auf die Kommunen
Diese Maßnahmen können aber nur ein erster Schritt sein. Zur strukturellen Unterstützung und dauerhaften Absicherung des zivilgesellschaftlichen Engagements über den Bundeshaushalt – unabhängig von politischen Mehrheiten und ohne bürokratischen Mehraufwand – braucht es endlich eine rechtliche Grundlage. Die andauernden Ankündigungen der Bundesministerin, ein „Demokratiefördergesetz“ einzuführen, stellen sich als haltlose Versprechen heraus.
Hinzu kommen derzeit Nachrichten, wie die des Entzugs der Gemeinnützigkeit für demokratische Vereine und Institutionen durch die Finanzverwaltung, wie es kürzlich
am Beispiel der VVN-BDA e.V.- Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, bekannt geworden ist. Hier fordern wir eine Rücknahme durch Finanzbehörden. Der Entzug der Gemeinnützigkeit trägt ebenfalls zur Zerschlagung des entsprechenden Vereines bei.
Wir fordern daher, dass die Brandenburger Landesregierung gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative für dieses Gesetz selbst auf den Weg bringt.
Dieses soll nicht nur eine rechtliche Grundlage für die dauerhafte Förderung entsprechender Einrichtungen regeln, sondern auch den Rahmen für die inhaltlichen Schwerpunkte legen.
Darin müssen sich programmatisch Projekte gegen rechts, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und alle weitere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – im besten Fall in einer merkmalsübergreifenden, intersektionalen Perspektive – genauso wiederfinden wie die Förderung von Maßnahmen, die bislang unterschätzte Phänomene
wie die der Reichsbürger, des Klassismus, sowie die Abwertung erwerbsloser Menschen oder Hass im Netz, in den Blick zu nehmen.
Ein weiterer Schwerpunkt muss auf Projekten liegen, die sich für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben einsetzen Hierfür ist die Stärkung
der Arbeit von migrantischen Selbstorganisationen und neuen deutschen Organisationen zwingend notwendig.
Dazu gehören diejenigen Gruppen, die von Rassismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen, von Antisemitismus, LSBTIQ-Feindlichkeit, Antifeminismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betroffen sind.
Notwendig ist auch eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft in Dialog und auf Augenhöhe. Top-Down-Strukturen lehnen wir ab. Wir fordern eine Fördersystematik, die längerfristige Strukturförderungen ebenso ermöglicht wie die Finanzierung von neuen Ansätzen.
Wir brauchen stabile zivilgesellschaftliche Netze ebenso wie die Möglichkeit, Organisationen zu unterstützen, die auf neue Bedrohungen reagieren und neue Wege gehen.
Nach der rechtsextremistischen Terrortat in Halle konzentrieren sich die Debatten vor allem auf sicherheitspolitische Aspekte. Dies ist unzureichend. Unsere Antwort auf Halle ist: Es braucht mehr Solidarität, mehr Engagement, mehr Präventions- und Bildungsarbeit, mehr Empowerment – es braucht mehr Zivilgesellschaft!
Nur so können wir die plurale Demokratie ausbauen und verteidigen!